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Die Elfen

Die Elfen

Titel: Die Elfen
Autoren: Bernhard Hennen , James Sullivan
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aufhalten.
    »Es ist Ebbe!«, sagte Farodin und erhob sich.
    Nuramon nickte und stand ebenfalls auf.
    Sie gingen über den welligen Sand zu den Muscheln und verharrten dort lange. Nun, da sie so weit gekommen waren, hatten sie es nicht eilig, den Zauber zu wirken. Für Noroelle waren mehr als tausend Jahre vergangen. Was bedeutete da dieser eine Augenblick der Ruhe!
    Schließlich tauschten die beiden Elfen einen Blick und machten sich ans Werk. Farodin legte das Stundenglas in den Muschelkreis. Dann fragte er: »Du oder ich?«
    Nuramon reichte Farodin als Antwort seine Hand.
    Farodin nickte. Sie würden das Tor gemeinsam öffnen.
    Sie schlossen die Augen, und jeder sah auf seine Weise den Albenstern. Der Pfad nach Albenmark war für immer erloschen. Als sie den Zauber woben, spürten sie, dass Emerelles Barriere verschwunden war. Sie hatten so oft Tore geöffnet, dass es ihnen nicht schwer fiel, auch dieses aufzutun. Doch es war nicht das Gleiche. Nur um dieses eine Tor war es ihnen in all den zurückliegenden Jahren gegangen. Endlich gab es nichts mehr, was sie von ihrer Liebsten trennte.
    Als sie die Augen öffneten, sahen sie das Lichttor vor sich. Und wieder zögerten sie beide.
    Nuramon schüttelte den Kopf. »So ein schwieriger Weg, und nun soll es nur einen Schritt kosten, und wir haben unser Ziel erreicht?«
    Farodin fühlte dasselbe. »Lass uns Seite an Seite gehen… Freund.«
    »Ja… Freund«, entgegnete Nuramon.
    Gemeinsam schritten sie durch das Tor und hatten das Gefühl zu fallen. Dann aber spürten sie unter den Füßen den welligen Meeresgrund. Doch statt im Wasser standen sie im knöcheltiefen Nebel. Vor ihnen lag eine grüne Insel, die von dem Nebelmeer umgeben war, das weit in der Finsternis verschwamm. Auf der Insel war ein Wald, dessen Bäume mit Moos überwuchert waren. Leises Vogelgezwitscher drang bis ins Watt. Ein grünliches Licht lag über dem Wald, das wie ein dünner Schleier unter den Baumwipfeln im Wind zu schweben schien.
    Langsam näherten sich Farodin und Nuramon der Insel. Ihre Schritte plätscherten auf feuchtem Boden.
    Nuramon atmete tief ein. »Dieser Duft!«
    Farodin wusste sogleich, was Nuramon meinte. Es duftete wie an Noroelles Quelle. »Sie ist hier!«, sagte er.
    Kaum hatten sie die Füße auf den Sand des Strandes gesetzt, da vernahmen sie eine Stimme, die ein verträumtes, melancholisches Lied sang. Es war Noroelles Stimme! Wie oft hatten sie des Nachts unter freiem Himmel im Gras gesessen und dem Gesang ihrer Liebsten gelauscht.
    Obwohl sie Noroelle in der Nähe wussten, gingen sie nicht schneller, sondern taten bedächtig Schritt um Schritt und sahen sich dabei um. Sie hatten zwar Vögel gehört, doch sehen konnten sie keine. Aus dem grünen Licht über ihnen senkten sich hauchdünne Nebelschwaden und verliehen dem Wald eine Aura des Geheimnisvollen. Die Bäume hier standen so dicht beieinander, dass ihre Wurzeln sich verschränkten. Knorrig ragten sie aus dem Erdreich hervor.
    Sie kamen dem Gesang immer näher. Als sie schließlich an den Rand einer kleinen Lichtung traten, erstarrten sie in der Bewegung. Dort vor ihnen saß Noroelle auf einem weißen Stein. Sie wandte ihnen den Rücken zu und schien in den kleinen Teich zu ihren Füßen zu schauen. Ihr dunkles Haar fiel ihr weit über die Schultern. Es war gewachsen, seit Farodin und Nuramon sie zuletzt gesehen hatten.
    Farodin war gebannt. In seinen Ohren hatte sich der Gesang verändert. Zwar war ihre Stimme noch die gleiche, doch sang sie die Melodie, wie Aileen es gern getan hatte, wenn sie sich allein wähnte. Sie sang ein paar Verse und summte dann nur noch die Melodie.
    Endlich waren sie angekommen. Allein dieser Augenblick war ihnen all die Mühen und Nöte wert. Farodin fiel die Last eines ganzen Lebens von den Schultern.
    Nuramon war es, der es wagte, das Wort an Noroelle zu richten. Er sprach: »O schau nur, holdes Albenkind!«
    Noroelle fuhr zusammen. Eine Stimme, die sie nicht herbeigezaubert hatte? Sie lauschte, aber da kam nichts weiter. Doch dann spürte sie, dass da jemand war. Sie erhob sich. Und als sie sich umwandte, traute sie ihren Augen nicht. »Bei allen Alben! Ist das ein Trugbild? Ein Zauber meiner Sehnsucht? O süße Sehnsucht! Welch ein Geschenk!«
    Farodin und Nuramon traf es wie ein Blitz, das wunderschöne Antlitz ihrer Geliebten wiederzusehen. Sie hatte sich nicht verändert. Sie sah noch aus wie an jenem Tag, da sie sich von ihr hatten trennen müssen, um auf die Jagd nach dem
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