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Die Elfen des Sees

Die Elfen des Sees

Titel: Die Elfen des Sees
Autoren: Monika Felten
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nun herausstellte.
    »Ich weiß, dass du dich noch nicht entschieden hast«, räumte die Hohepriesterin ein, die Lya-Numis Verwirrung diesmal falsch deutete. »Aber gerade deshalb ist es wichtig, dass du teilhast an allem, was das Dasein einer Priesterin ausmacht. Es ist der beste Weg, dir eine eigene Meinung zu bilden. Im Kreis der Novizinnen wirst du mehr über das Leben im Tempel erfahren, als ein Gast es je vermag.« Sie lächelte, ergriff die Zügel ihres Pferdes und saß mit einer ansatzlos geschmeidigen Bewegung auf, die ihr Alter Lügen strafte. »Elwren stammt wie du aus dem Grasland«, sagte sie abschließend. »Ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen.«
    Während sich die acht Reiterinnen ihren Weg durch Dunst und Nebelschwaden bahnten, die sich in der feuchten Abendluft der Sümpfe gebildet hatten, kam die Nacht. Das Licht schwand, und die Umrisse der Bäume waren nur noch schemenhaft zu erkennen.
    Auf Lya-Numi wirkten die Sümpfe in der Dämmerung wie ein Geisterwald. Unheimliche Geräusche drangen ihr an die Ohren, die schweren und modrigen Gerüche schienen einer anderen Welt zu entstammen, und die feuchtwarme Luft fühlte sich beim Atmen viel dicker an als daheim.
    »Unheimlich?« Lya-Numi blickte sich um und bemerkte, dass Elwren sie aufmerksam musterte. »Als ich zum ersten Mal zum Tempel ritt, wurde es auch gerade dunkel. Ich hatte furchtbare Angst«, gab die junge Priesterin freimütig zu. »Aber keine Sorge, die Sümpfe sind nur gefährlich, wenn man die Pfade nicht kennt. Es mag für dich unglaublich klingen, aber es kann hier richtig schön sein.«
    Lya-Numi antwortete nicht. Sie spürte, dass Elwren mit ihr reden wollte, aber ihr war nicht nach einem Gespräch zumute. Sie hatte beschlossen, die Sümpfe nicht zu mögen, und bereute ihre Entscheidung, der Hohepriesterin zu folgen, schon jetzt. Je weiter sie in die Sümpfe vordrangen, desto stärker wurde der Wunsch, auf der Stelle kehrtzumachen und nach Hause zurückzukehren, dorthin, wo die Luft klar und der Himmel weit waren.
    »Es ist wirklich schön hier, auch wenn es jetzt nicht so aussieht«, sagte Elwren noch einmal, um Lya-Numi aufzumuntern. »Du wirst sehen, in ein paar Mondläufen …«
    »Ich bin im Tempel nur zu Gast.«
    »Oh.« Elwren blinzelte verwirrt, fragte aber nicht weiter nach. Schweigend ritt sie neben Lya-Numi her, während die Dämmerung der Dunkelheit wich, der Nebel sich ein wenig lichtete und die Geräusche im Sumpf allmählich verstummten.
    Je dunkler es wurde, desto unbehaglicher fühlte sich Lya-Numi. Die Sümpfe sind nur gefährlich, wenn man die Pfade nicht kennt , hatte Elwren gesagt. Daran, dass die Priesterinnen den Pfad zum Tempel kannten, zweifelte Lya-Numi nicht; sie fragte sich aber, wie sie diesen im Dunkeln finden wollten. Die Antwort darauf erhielt sie nur wenige Augenblicke später, als sie in der Ferne eine grünlich golden schimmernde Wolke entdeckte, die sich ihnen mit fließenden Bewegungen näherte.
    »Was ist das?«, wandte sie sich an ihre Begleiterin.
    »Das sind Leuchtkäfer«, erklärte Elwren. »Die Hohepriesterin hat sie gerufen. Sie werden uns den Weg zum Tempel weisen. Sieh nur!« Sie deutete auf die Wolke, die in diesem Augenblick in Dutzende funkelnde Kugeln zerfiel. Sie ließen sich auf Bäumen und Sträuchern nieder und schufen so eine beleuchtete Gasse, die breit genug war, dass die Gruppe hindurchreiten konnte. Wenn die letzte Priesterin sie passiert hatte, lösten sich die Käfer von ihren Plätzen und flogen ein Stück voraus, um die nächste Etappe auszuleuchten. Lya-Numi spürte einen leisen Schauer über ihren Rücken laufen. Der Anblick der Elfenpriesterinnen, die im Licht der leuchtenden Käfer schweigend durch die Dunkelheit zogen, berührte etwas in ihr, und sie stellte überrascht fest, dass sie sich in diesem bewegenden Augenblick fast schon wie ein Teil der Gemeinschaft fühlte.
    Nein! Energisch schüttelte sie den Kopf und verscheuchte das Gefühl. Sie war Gilraen nicht in die Sümpfe gefolgt, um im Kreis der Priesterinnen aufgenommen zu werden. Der wahre Grund für ihr Einlenken bestand darin, dass sie sich kein vorschnelles Urteil vorwerfen lassen wollte. Und was die anderen nicht wussten: Sie war auch deshalb hier, um Gründe dafür zu suchen, warum sie keine Priesterin werden wollte. Allem Anschein nach dürfte das nicht allzu schwierig werden. Der Gedanke, in diesen feucht-modrigen Gestaden von einem Sonnenaufgang zum nächsten in einen Tempel eingesperrt und
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