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Die Elfen des Sees

Die Elfen des Sees

Titel: Die Elfen des Sees
Autoren: Monika Felten
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Hohepriesterin! Viele würden alles dafür geben, erwählt zu werden. Und was tust du? Verschwindest einfach ohne eine Erklärung. So etwas gehört sich nicht! Was soll die Hohepriesterin denn jetzt von uns denken? Und was wird sie daheim über die Elfen des Sees sagen?« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Wie kannst du so ablehnend über etwas urteilen, das du nicht kennst? Ich schäme mich für dich.«
    »Das musst du nicht.«
    »Ach, nein?« Die Stimme ihrer Mutter wurde lauter, ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihre Wut sich weiter steigerte. »Ich habe gesehen wie die Hohepriesterin ihren Riesenalp bestieg und ohne ein Wort des Abschieds davonflog. Es ist ja wohl offensichtlich, was das bedeutet.«
    »Sie kommt wieder.«
    »Sie … sie kommt was …?« Ihre Mutter wirkte verwirrt. »Wann?«
    »In zwei Sonnenläufen.«
    »Warum?«
    »Um zu hören, wie ich mich entschieden habe.« Lya-Numi war erstaunt, wie ruhig ihre Stimme klang.
    »Und wie hast du dich entschieden?« Ihre Mutter musterte sie aufmerksam. Ihre Wut schien verflogen. »Wie?«, fragte sie noch einmal, als Lya-Numi nicht sofort antwortete.
    »Ich werde mit ihr gehen – erst mal.« Die Worte klangen in Lya-Numis Ohren seltsam befremdlich, weil der Entschluss sich gerade in dem Augenblick formte, da sie ihn aussprach. »Es ist, wie du sagst. Ich kann nicht ablehnen, was ich nicht kenne. Deshalb werde ich Gilraen für drei Mondläufe in die Sümpfe von Numark begleiten. Wenn ich mir ein Bild von dem Leben im Tempel und den Aufgaben einer Hohepriesterin gemacht habe und weiß, wie es um Dirair steht, werde ich mich entscheiden.«

Die Novizin
    Über dem nebelverhangenen Grasland glitt Rukh, der prächtige Riesenalp der Hohepriesterin, dahin. Die wenigen Vögel, die ihm an diesem frühen Morgen begegneten, konnten auf seinem Rücken zwei Frauen ausmachen, von denen die ältere aufrecht in dem ledernen Sattel saß und die Zügel des Reitgeschirrs sicher in den Händen hielt, während die jüngere sich an ihren Rücken presste.
    Obwohl Rukh nach dem für sie furchteinflößenden Start in einen sanften Gleitflug übergegangen war, hatte Lya-Numi ihre Angst noch nicht überwunden. Nur sehr zögerlich kehrte ihr wild pochendes Herz zu einem ruhigen Takt zurück und ermöglichte es ihr, wieder freier zu atmen und einen klaren Gedanken zu fassen. Verstohlen wagte sie einen kurzen Seitenblick über die Schulter, dorthin, wo sich die gewaltigen Schwingen des Riesenalps vor dem einheitlichen Nebelgrau über dem Grasland in kräftigen, regelmäßigen Schlägen hoben und senkten. Sie war froh, dass sie den Boden unter ihr nicht sehen konnte. Die ungeheure Höhe flößte ihr Angst ein, und der Gedanke an einen Sturz ließ ihr die Kehle eng werden.
    »Du musst keine Angst haben«, hatte die Hohepriesterin unmittelbar vor dem Abflug zu ihr gesagt und ihr die dicken Gurte gezeigt, die sie im Sattel halten würden. Angesichts der schwindelerregenden Höhe erschienen ihr diese Gurte inzwischen aber viel zu dünn und die Höhlung im Nacken des Riesenalps, in welcher der Sattel festgezurrt war, viel zu winzig, um ein Unglück wirklich verhindern zu können.
    »Versuche ein wenig zu schlafen«, hörte sie die Stimme der Hohepriesterin im Wind. »Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
    Schlafen? Lya-Numi glaubte, sich verhört zu haben. Wie konnte Gilraen jetzt an Schlaf denken? Im Schlaf war die Gefahr, aus dem Sattel zu fallen, um ein Vielfaches größer und …
    »Du kannst die Augen ruhig schließen.« Diesmal wandte sich die Hohepriesterin um und richtete das Wort direkt an sie. »Die Gurte werden dich halten. Du musst keine Furcht haben.«
    »Die habe ich aber.«
    »Ich weiß.« Gilraen lachte. »Du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen, aber so wie du habe auch ich einst hinter meiner Vorgängerin auf einem Riesenalp gesessen und nicht gewagt, in die Tiefe zu blicken. Und so wie ich wirst auch du die Ängste bald überwunden haben, die dich jetzt noch …«
    Sie führte den Satz nicht zu Ende, weil Rukh plötzlich die Flügel anlegte und jäh an Höhe verlor. Lya-Numi kreischte auf und klammerte sich so fest an die Hohepriesterin, dass ihre Arme schmerzten. Doch der Augenblick des Schreckens verging so schnell, wie er gekommen war, und schon wenige Herzschläge später glitt der Riesenalp wieder ruhig dahin.
    »Was war das?«, keuchte Lya-Numi.
    »Ein Scherz.«
    »Ein Scherz?« Lya-Numi war fassungslos.
    »Rukh macht sich manchmal einen Spaß
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