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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition)
Autoren: Christian Buder
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Besitzer und den Feldern jenseits der Namen. Auch war es ihnen egal, ob sie von jemandem besessen wurden. Für die Katzen waren ihre Besitzer nur Personal. Zufällige Quellen der Nahrungsbeschaffung. So dachte Alice zuerst, den Katzen keine Namen zu geben. Sie entschied sich dann jedoch für die Taufe, um sie besser unterscheiden zu können.
    Jeder bekam seinen Namen nach Charakter und Gewohnheiten. Pepone war ein hitziger Kater. Wie der italienische kommunistische Bürgermeister in dem Film »Don Camillo«. Al Capone war eine schwarz-weiße Katze mit dem Hang, andere Katzen gefügig zu machen. Alice hatte bisher noch nicht herausgefunden, wie es die Katze schaffte, dass selbst die alteingesessenen Bauernkatzen vor Al Capone duckten und sich vor ihm auf den Rücken warfen. Selbst kräftigere Katzen, die sonst dominant jeden Gartenzaun verteidigten, lagen vor Al Capone im Staub. Keine der Katzen fragte sich, warum Al Capone so mächtig war. Für Alice gab es darauf auch keine befriedigende Antwort. Die einzige Erklärung war eben, dass keiner sich diese Frage stellte. Auf die Welt der Menschen in Hintereck übertragen, kam Alice zu der Schlussfolgerung, dass niemand so mächtig war wie Al Capone. Der Herr der Gartenzäune.
    Ähnlich lag der Fall beim Bürgermeister Egon Hofwanger. Er war seit Jahrzehnten Bürgermeister von Hindelang. Hintereck gehörte offiziell zur Gemeinde Hindelang. »Im Hindelanger Gemeinderat hockten nur Deppen«, sagte der Gruber am Stammtisch. »Europaaaa, pah, mit der Bagasch kriegen wir noch eine Moschee auf den Kirchplatz.« Die Wahlkampfparole Hofwangers war seit Jahrzehnten: »Mit mir net.« Obwohl keiner genau wusste, was er damit meinte, wählten ihn die Hinterecker immer wieder, und dies, obwohl Hofwanger bei den Gemeinderatssitzungen nur schlief und geistig in der Vorkriegszeit gefangen war. Ihr Großvater meinte, dass Hofwanger gerade deshalb gewählt wurde. Er sei ungefährlich und verhindere, dass ein Schlimmerer nachkomme. Hofwangers Macht bestand darin, dass er harmlos war. Vielleicht war es ja bei den Katzen genauso.
    Alice schaute, ob ihre Schuhe schmutzig waren, obwohl das im Auto ihres Großvaters nichts ausmachte. Es roch immer nach Wald und Matsch. Auf dem Rücksitz lagen Säge, Hackbeile und Rindenmesser. In dem alten japanischen Jeep hatte sich über Jahre der Geruch von Harz und Tannennadeln eingenistet. Es war das einzige Auto, in dem es Alice nicht schlecht wurde. Die letzten Meter rannte sie, um ihren Großvater nicht zu verpassen. Schließlich sollte er sie am Haus abholen. Schon sah sie das Schindelhaus, das von Holz umschichtet war. Die Lampe am Eingang brannte. Im Hof werkelte Großvater. Er schlug mit einem Hammer auf die Dachrinne. Als er Alice aus dem Wäldchen treten sah, griff er sich an den Kopf.
    Mit dem Schnee kam auch die Kälte. Wo am Nachmittag noch Pfützen in der Sonne glitzerten, waren jetzt glatte Eisspiegel. Hintereck erstarrte. Die Ostrach rauschte und brach in die Stille der unbewegten Fichten, die ihre Arme unter dem ersten Schnee senkten. Der Geländewagen rutschte kurz am Hang.
    »Dein Vater hat gesagt, dass es heute später wird. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun, Besoffene aus dem Verkehr zu ziehen. Glühweinopfer. Dein Vater kommt nicht vor zehn Uhr abends, hat er mir gesagt. Wir können uns also Zeit lassen.«
    Weihnachtsmarkt – das hieß für Alice Lebkuchen, Zuckeräpfel, Magenbrot, der Duft von Zimtsternen und gebrannten Mandeln. Kinder mit ihren Eltern, mit ihren Müttern … Der schwarze Weihnachtsstern lag halb ausgeschnitten noch immer im ewig dunklen Zimmer, dort, wo Mama ihn angefangen hatte.
    Der Weihnachtsmarkt konnte ihr gestohlen bleiben.
    Auf der Talstraße zogen zwei Männer einen Christbaum in Richtung Kirche. Im Scheinwerferlicht tauchten ihre Anoraks und Skimützen plötzlich aus dem Schneegestöber auf.
    »Verdammt«, fluchte Alices Großvater und riss das Steuer herum. Alice dachte, dass er die beiden Männer meinte, die ihm beinahe unter die Räder gekommen wären. Doch Großvater starrte zur Kirche. Seine Lippen bewegten sich so, als fluche er in Gedanken weiter. Alice schaute angestrengt in die Richtung, in die ihr Großvater gebannt starrte. Es dauerte eine Weile, bis sie es auch sah.
    An der Kirchenpforte stand Pfarrer Bez. Verzweifelt rieb er an der schweren Holztür. Als er sich bückte, um den Lappen in einem dampfenden Eimer auszuwringen, erkannte Alice, was der Pfarrer abzuwaschen versuchte. Über die
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