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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie
Autoren: Jay Bonansinga
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gefrorenen Jacke.
    «ER LEBT! KANN SEHEN, DASS ER BLINZELT! ICH BRAUCH HIER SOFORT EIN TELEMETRIEGERÄT!»
    Hektisches Graben. Funkgeräte quäkten. Stimmen ertönten. Das Geräusch einer aufbrechenden Ammoniakkapsel an seiner Nase. Aus glasigen Augen versuchte er den Rettungssanitäter zu erkennen.
    «Agent Grove?! Können Sie mich hören?!»
    Er konnte nicht sprechen, ja, kaum atmen. Wann war er abgestürzt? Erst vor ein paar Minuten? Inzwischen machten sich weitere Männer an ihm zu schaffen. Schmerz brannte an der Stelle, wo der Pfeil seinen Nacken gestreift hatte. Ein wahnsinniger Druck, der auf seiner Brust lastete. Ein gurgelndes Geräusch, das aus seiner Kehle kam. Kabel, die sich über seine Beine schlangen. Der Rettungssanitäter – ein junger Schwarzer, der noch seinen Hubschrauberhelm und die Schutzbrille trug – hantierte mit den Defi-Paddles. «Hab hier nur Null-Linie! Wir müssen ihn schocken! Alle zur Seite! – Zur Seite! – OKAY – LOS!»
    WHAP!
    Unter dem Schock bäumte er sich auf, krümmte den Rücken wie ein Skorpion und stöhnte.
    «Hab ihn wieder!»
    Die Schlange wand sich hinauf durch sein Hirn, durch sein vegetatives Nervenzentrum. Der Marionettenspieler kontrollierte sein Nervensystem, seine Seele. Der Sanitäter war noch mit ihm beschäftigt, hatte noch nicht gemerkt, dass er aufgewacht war, und hantierte mit einer Injektionsnadel, als die Schlange zustieß.
    «GROSSER GOOOOO – »
    Groves Hände, schwarz von Frostbeulen, schlossen sich um den Hals des Mannes.
    Er stieß einen erstickten Schrei aus, wodurch das Ding in Grove nur noch mehr angestachelt wurde. Schmale, dunkle und fast erfrorene Finger pressten sich mit der Kraft eines eisernen Schraubstocks auf den Adamsapfel des bedauernswerten Mannes.
    Dessen Gesicht wurde aschfahl, und seine graue Zunge trat zwischen den Lippen hervor. Tief im Hinterkopf, eingehüllt in einen düsteren Kokon, schaute der echte Grove voller Schrecken zu – wie ein Mann, der gefesselt und geknebelt in einem dunklen Zimmer sitzt und gezwungen ist, einen Snuff-Film auf einer entfernten Leinwand anzusehen. Seine Hände besaßen ihren eigenen Willen und genossen es, den jungen Mann zu erwürgen.
    Es kamen mehr Leute herbei. Ergriffen den neuen Grove. Lösten mit Gewalt seine gefrorenen Finger vom Hals des Sanitäters. Der stechende Schmerz, als eine Nadel in Grove gestochen wurde – ein starkes Beruhigungsmittel, das sich in seinem Körper verteilte. Der Marionettenspieler raste vor Wut. Aus Groves Kehle löste sich ein markerschütternder Aufschrei, als die Droge sich seiner bemächtigte.
    Sein Körper zappelte im Schnee, Blut zeichnete feine Spuren ins Weiß, die Arme fuchtelten. Seine Wirbelsäule bog sich, als die Droge sich in seinem Körper verteilte. Seine Bewegungen wurden langsamer. Es wurde düster.
    Langsam.
    Immer düsterer.
    Bis schließlich… alles dunkel war.
    Eine Woche nachdem Harlan Simms und die taktische Einsatztruppe aus Alaska Ulysses Grove aus der Gletscherspalte am Mount Cairn gerettet hatten, durchquerte eine junge Frau unbemerkt von den meisten anderen Reisenden den Washington National Airport. Sie trug Jeans und eine Jeansjacke und benutzte als Gehstütze einen Metallstock. Ihr weißblondes Haar war zu einem straffen Pferdeschwanz nach hinten gebunden, und in der Hand hielt sie eine Zigarette, die nur darauf wartete, angezündet zu werden, sobald das Rauchverbot nicht mehr galt.
    Draußen vor dem Terminal zündete sie dann auch auf der Stelle die Zigarette an und winkte ein Taxi herbei.
    Bei Tageslicht waren ihre Verletzungen deutlicher sichtbar. Die meisten Verbände hatte man am Tag zuvor in einer Klinik in San Francisco abgenommen, aber auf ihren Armen, auf ihrer linken Wange und unter ihrer Bluse waren noch Schmetterlingspflaster geblieben. Während der letzten Woche hatte sie endlose Vernehmungen und Befragungen erdulden müssen. Man hatte ihr eröffnet, dass Narben bleiben würden. Manche von ihnen würden nicht zu sehen, sondern Narben auf ihrer Seele sein. Aber letztlich sei zu erwarten, dass sie völlig genesen würde.
    Doch darum machte sie sich keine Gedanken. Wegen ihres eigenen Wohlergehens war sie nicht nervös, als sie in das Flughafentaxi stieg, ihre Reisetasche auf dem Rücksitz zur Seite schob und den Fahrer instruierte, wohin sie gebracht werden wollte. Nervös und besorgt war sie wegen Grove. In den unbefriedigenden Gesprächen im Laufe der vergangenen Woche – mit Tom Geisel vom FBI sowie Michael Okuda
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