Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie
Autoren: Jay Bonansinga
Vom Netzwerk:
vom Schliemann-Labor – hatte Maura nur in groben Zügen erfahren, was dem Profiler zugestoßen war.
    Offenbar war Grove erst wenige Minuten zur Flanke des Bergs aufgebrochen, als die taktische Einsatztruppe am Ausgangspunkt des Mount-Cairn-Pfads eingetroffen war. Sie hatten Schüsse gehört und gleich darauf Ackerman in der Nähe der ursprünglichen Grabstätte gefunden, gestorben durch Herzstillstand. Nicht lange danach waren sie auf Grove gestoßen, im Schnee begraben, kaum noch lebendig, Rippen gebrochen, ein Lungenflügel durchstochen, eine tiefe Wunde zwischen Nacken und Schulter, wo der Pfeil ihn gestreift hatte, extreme und daher lebensgefährliche Unterkühlung. Offenbar kann man aber eine unterkühlte Person, die allem Anschein nach bereits tot ist und sogar als klinisch tot diagnostiziert wurde, ins Leben zurückrufen.
    Aber das Problem war kein physisches. Man hatte es zwar geschafft, Grove das Leben zu retten – seine Verletzungen waren überraschend geringfügig, da der Schnee wie ein Kissen seinen Fall abgebremst hatte –, aber aus irgendeinem Grund war er in eine bizarre Psychose verfallen. Geisel wollte – oder konnte – nicht viel dazu sagen. Und Okuda schien wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Maura erfuhr später, dass er sich in einen Drogenentzug begeben hatte, nachdem die krude Wendung der Ereignisse ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte. Aber alle waren so verschwiegen, als sei Grove zu einer Art Staatsgeheimnis geworden. Sogar Vida hatte am Telefon in Rätseln gesprochen. Immerhin informierte sie Maura, dass ihr Sohn vor zwei Tagen in eine abgelegene Hütte gebracht worden war, die Tom Geisel gehörte und am Shenandoah River stand, ungefähr siebzig Meilen westlich von Groves Haus in Arlington.
    Maura saß auf dem Rücksitz des Flughafentaxis, sah hinaus auf die üppig grünen Hügel, die einst im Bürgerkrieg Schlachtfelder waren, und bereitete sich auf das vor, was sie in der Hütte erwartete. Sie verschwendete keinen Gedanken mehr an die Taschenbuchrechte an der Sun-City-Story, an ihre bevorstehende Beförderung bei Discover oder gar an die Lobhudeleien, mit denen der alte Chester Joyce sie in der Redaktion überschüttet hatte.
    Sie hatte nur einen Gedanken: Grove sollte wieder gesund werden.
     
     
    Genau in diesem Moment, als Maura grübelnd durch die üppige Landschaft von Virginia fuhr, geschah in den Wäldern westlich von Leesburg eine Art Wunder.
    In einem Raum mit einem Fußboden aus Zedernholz, dessen Fensterläden fest geschlossen waren, um sich gegen den umgebenden Wald abzuschütten, hatten drei Personen sich jetzt schon fast achtundvierzig Stunden lang ununterbrochen am Bett einer vierten Person abgemüht. Am Nachmittag des zweiten Tages, nachdem sie pausenlos gearbeitet und sich beim Essen und Schlafen abgewechselt hatten, registrierten die drei Heiler endlich eine Veränderung.
    Vida hatte bei ihrem Sohn gestanden und feierlich ein glimmendes Bündel Weizenhalme über ihm geschwenkt.
    Dabei hatte sie beschwörend auf Suaheli das Wort für «hinaus» unentwegt wiederholt – als es geschah.
    «Nge – nge! – nge! – NGE! – Nnn –!!»
    Grove schnellte plötzlich auf dem Bett hoch. Seine Unterhose war von Blut und Galle beschmutzt, sein Hals wurde von einem festen Verband gestützt. Die geschmeidigen Stricke und das knirschende Bettgestell konnten ihn kaum halten.
    Sein Gesicht war schweißüberströmt und verzerrt. Grove erbrach sich unter Krämpfen, und ein unmenschliches Stöhnen entwand sich seiner Brust. Ein dünner Strahl aus Blut und Magensäure floss in die schmutzigen Laken… zusammen mit etwas anderem, etwas, das sie fürderhin nur als das Unidentifizierbare bezeichnen sollten.
    Grove ließ sich schwer gegen die Kissen zurückfallen und schrie ein letztes Mal. Es war ein Urschrei der Erleichterung – die Art von Geräusch, das sich nicht beschreiben lässt. In der Stille, die darauf folgte, hörten sie etwas, was sie unendlich freute.
    Ulysses Grove atmete normal.
    Als die drei vorsichtig die Stricke lösten und ihn bequem betteten, konnte er zunächst nicht sprechen. Father Carrigan murmelte leise einige katholische Gebete und sprach den Segen. De Lourde öffnete das Fenster.
    Schließlich gelang es Grove, mit krächzender, rauer Stimme zu sprechen: «Ruft im Hoover-Gebäude an.» Als niemand antwortete, lächelte Grove vorsichtig. «Sagt Geisel, ich nehme jetzt ein paar Tage Urlaub.»
    «Du hast Besuch, mwana.»
    Grove saß auf einem hölzernen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher