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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista
Autoren: Marco Malvaldi
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dahergelaufener Trottel. Es ist nicht gesagt, dass ein Genie zu sein zwangsläufig bedeutet, unter allen Umständen recht zu haben, wenn man abstrakt über ein Problem nachdenkt, ohne zu versuchen, es praktisch zu lösen.«
    Die vier Alten sahen sich mit abwesendem Gesichtsausdruck an.
    »Habt ihr die kleine Schwester von Tiziana gesehen?«, fragte Rimediotti.
    »Allerdings«, erwiderte Pilade beifällig. »Lass die erst mal groß werden, dann wird auch sie ein wahres Schmuckstückchen.«
    Massimo zog sich auf seinen Prosecco zurück.
    Am Tor angekommen, öffnete Massimo es vorsichtig und trat in den Garten. Wie immer in jenen ersten Tagen schaute er sich um und ging mit langsamen, stolzen Schritten den Pfad entlang, wobei er der Versuchung widerstand, auf dem Rasen zu gehen. Das würde er später tun, mit nackten Füßen.
    Er trat in den Wohnraum, zog die Schuhe aus und machte es sich im Sessel bequem, um den Garten zu betrachten.
    Seit er umgezogen war, genoss er es wieder, nach Hause zu kommen.
    Massimo hatte sehr lange gebraucht, um sich einzugestehen, dass es einer der schlimmsten Momente des Tages war: in die Wohnung zurückzukommen, in der er mit seiner Frau gelebt hatte. Die Angst vor dem leeren Bett, und dann, nach den ersten Tagen, die Traurigkeit an allen folgenden. Das Nichtgebrauchen bestimmter Haushaltsgeräte, das Nichtbetreten eines bestimmten Zimmers. Und vor allem der unwürdige Zustand, den die Wohnung nach und nach angenommen hatte, und Massimos Weigerung, etwas dagegen zu unternehmen. Weil es, wie er sich sagte, ja nur vorübergehend war. Doch manchmal gibt es nichts Endgültigeres als ein Provisorium.
    Nachdem er mit Enrico dieses Häuschen angesehen hatte, hatte sich etwas gelöst. Er hatte zwei Berechnungen angestellt. Er hatte gesehen, dass er, wenn er die eine verkaufte, das andere kaufen konnte, ohne irgendein Darlehen aufzunehmen, und dann hatte er sich entschieden. Jetzt lebte er in Pineta, nicht mehr in Pisa. Schluss mit dem grausam frühen Aufstehen, Schluss mit Parkplätzen, die an eine Partie Tetris erinnern, dafür ein echtes Heim, in dem man seine Zelte aufschlagen konnte, und nicht in der Bar, die ihm in den letzten Jahren als Zuhause gedient hatte. Jetzt wurde die Bar wieder zum Arbeitsplatz und basta.
    Zwar war da noch die Suche nach einem neuen Mädchen, aber auch das würde sich lösen lassen. Vor zwei Tagen hatte sich eine Ukrainerin bei ihm vorgestellt, die ihm ziemlich aufgeweckt vorgekommen war. Und er war beinahe versucht, die Bewerbungsrunde zu beenden. Sicher, sie war nicht so ein Schmuckstück wie Tiziana, aber wenn er auf eine wie sie wartete, würde er warten, bis er in Rente ging.
    Nach einigen Minuten der Entspannung stand Massimo auf, um die Schuhe wegzuräumen; als er an der Tür vorbeikam, sah er, dass etwas im Briefkasten lag. Er zog einen weißen Umschlag heraus, der in ungelenker Handschrift beschriftet war. Ein Luftpostbrief. Aus Malawi.
    Massimo begann zu lesen, den Brief in der einen und einen Schuh in der anderen Hand.
    Lieber Massimo,
    ich hoffe, es geht Dir gut und Deinen Lieben ebenso. Hier ist es angenehm, sehr heiß, aber eine trockene Hitze, die weder niederdrückt noch krank macht, dafür aber sehr müde. Doch schlafen darf man nicht, es gibt so viel Gutes zu tun und so viel Arbeit.
    Dein Brief hat mich getroffen und zu Tränen gerührt; ob aus Traurigkeit, weil er mich daran erinnert hat, dass Giacomo und Marina nicht mehr sind, oder aus Erleichterung, weil ich gesehen habe, dass jemand erkannt hat, was ich getan habe, und mir vergeben hat. Denn aus Deinem Brief lese ich auch Deine Vergebung heraus, und ich danke Christus dafür, dass er Dich ihn hat schreiben lassen.
    Ich bin ein unwissender armer Franziskaner, aber als ich zum ersten Mal ins Krankenhaus ging, begleitete mein Prior mich. Wie Du vielleicht weißt, ist er ein guter Arzt, und er hat mit den Ärzten gesprochen und sich die Krankenberichte angesehen. Auf dem Heimweg hat er mir erklärt, dass Marina nur noch ein Körper sei und dass zu hoffen zwar lobenswert und auch meine Pflicht sei, aber vergeblich. Diese Worte begleiten mich Tag für Tag.
    Tag für Tag sagt Marinas Bruder Pater Adriano, dass seine Schwester bereits tot war, dass ihr Bewusstsein nicht mehr existierte, dass Marina niemals wieder jemanden geliebt hätte und dass ihre Existenz rein mechanisch war. Und Nacht für Nacht erinnert Pater Adriano Marinas Bruder daran, dass, wenn er nichts getan hätte, seine Schwester noch am
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