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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista
Autoren: Marco Malvaldi
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den Stock auf die Hand und bereitete sich auf den Stoß vor.
    In der Bar redeten die Alten, mal mehr, mal weniger, als Aldo sich an die Wand lehnte. Ein paar Sekunden später hob er die Hand und bat um Ruhe. Ampelio setzte seinen Monolog ungerührt fort, und Pilade machte den Mund auf.
    »Ampelio, sei mal kurz still.«
    »Was ist denn, jetzt ist mein Enkel nicht da, und da fängst du an, alle zu nerven?«
    »Genau«, antwortete Aldo. »Massimo ist nicht da, weil er nebenan ist, um Billard zu spielen. Aber seit zwei oder drei Minuten ist kein Mucks mehr zu hören. Weder aneinanderstoßende Kugeln noch Schritte. Heute Morgen hat er mir ganz und gar nicht gefallen. Ich möchte nicht, dass er sich ausgerechnet jetzt nicht gut fühlt.«
    O Gott. Das fehlte gerade noch. Mit einem einmütigen Blick wurde Aldo von der Allgemeinheit damit beauftragt, hinüberzugehen und nachzusehen, was da vor sich ging, auch weil, wenn man darauf gewartet hätte, bis Ampelio sich hochgestemmt und drüben angekommen wäre, in der Zwischenzeit alle verhungert wären.
    Im Billardzimmer fand Aldo Massimo über den Tisch gebeugt, wie er sich darauf vorbereitete, einen filotto auszuführen, und den Stock vorsichtig vor und zurück schob.
    Nur, dass er die Augen geschlossen hatte und dabei zu schlafen schien.
    Nach etwa zwanzig Sekunden gesellten sich Tiziana und die anderen älteren Herren zu Aldo. Und noch ein paar Sekunden später schlug Massimo die Augen auf, hob den Kopf und erblickte das Quartett, das wie angenagelt auf der Schwelle stand. Er lächelte.
    »Was gibt’s?«
    »Was soll’s denn geben? Du bist auf dem Billardtisch eingeschlafen.«
    »Ach. Ich hab heute Nacht nicht so viel Schlaf bekommen«, antwortete Massimo und versuchte dabei, einen dummen Gesichtsausdruck aufzusetzen, um seine Aufregung zu verbergen.
    »Massimo, wir machen es so«, sagte Aldo väterlich. »Du gehst jetzt nach Hause und gönnst dir ein hübsches Schläfchen. In diesem Zustand scheint es mir nicht angebracht, dass du arbeitest. Vielleicht kann Tiziana hierbleiben. Schaffst du das?«
    »Geh nur, Massimo«, sagte Tiziana, »ich kümmere mich hier um alles.«
    »Vielleicht hast du recht. Wir sehen uns später.«
    Verflixt und zugenäht. So ist es. Es kann gar nicht anders sein.
    Und was mach ich jetzt? Wenn ich zu Fusco gehe, dann fesselt er mich mit Handschellen an den Heizkörper und schickt ein Stück von meinem Ohr in die Bar. Wenn ich es einem Journalisten sage, idem, siehe oben. Es bräche ein Chaos aus, das kein Mensch brauchen kann. Und dann bin ich mir ja noch nicht einmal ganz sicher, was herauskommen würde. Im Augenblick ist es das Beste, direkt mit ihm zu sprechen. Sehen wir erst einmal, wie er reagiert. Vielleicht sagt er mir alles. Vielleicht ruft er die Polizei und lässt mich verhaften. Letzteres ist wahrscheinlicher als Ersteres. Hast du eine Wahl? Nein, sieht mir nicht so aus. Zum Glück haben die Alten gedacht, ich wäre eingeschlafen. Aber wenn du jemals wieder gut schlafen willst, dann musst du dir diesen Zahn ziehen. Wird schon schiefgehen.
    »Und was gibt es so Dringendes, dass Sie mich heute Morgen unbedingt sprechen müssen?«
    In der eigenen Kanzlei sitzend, ein edles Bücherregal aus dem 18. Jahrhundert voller schön gebundener Bände im Rücken, machte der Notar einen entschieden anderen Eindruck. In der Bar hatte Massimo ihn immer als einen gut gekleideten kleinen Mann gesehen, der deutlich gebildeter war als die Mehrheit, sich aber Mühe geben musste, um wahrgenommen zu werden.
    Hier hingegen war er der Chef. Man merkte es an der Art, wie die Sekretärin ihm die Tür aufgemacht, wie sie Massimo angesehen hatte, als er gefragt hatte, ob es möglich sei, ein paar Minuten mit dem Herrn Notar zu sprechen. Der Herr Notar sei gerade beschäftigt, hatte sie gesagt, beinahe verblüfft, dass überhaupt jemand es wagte, so unverfroren zu sein. Oh, dann werde ich wohl warten müssen, hatte Massimo gesagt, während er zu einem der kleinen Wartesessel im Vorzimmer ging. Überaus bequem, übrigens, diese Sesselchen. Wenn jemand so etwas in sein Vorzimmer stellt, wer weiß, was für einen Thron er dann in seinem Büro stehen haben muss.
    In der Tat hatte der Herr Notar in seinem Büro, in das er ein Stündchen später eingelassen wurde, einen Mahagonischreibtisch wie für einen Konteradmiral stehen, mindestens zwei Meter breit, und einen unglaublich luxuriösen Sessel aus feinstem Leder mit breiten Armlehnen und einem Dämpfungssystem, das eines
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