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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista
Autoren: Marco Malvaldi
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Neugierde. Ich bin nicht daran interessiert, einen Schuldigen zu finden, weil es, so wie ich es sehe, in dieser Geschichte keine Schuldigen gibt, sondern nur, um zu wissen, ob die Art und Weise, wie ich diese Geschichte rekonstruiert habe, richtig ist und ob sich alles tatsächlich so ereignet hat, wie ich es Ihnen schreibe.
    Zweitens, in Übereinstimmung mit dem, was ich gerade geschrieben habe, habe ich mit niemandem (weder Freunde noch Ermittlungsbehörden) über meine Schlussfolgerungen gesprochen, die ich Ihnen jetzt darlegen werde.
    Und dies nicht aus Feigheit oder weil mir die Beweise fehlten, sondern weil ich in der Vergangenheit schon einmal dazu beigetragen habe, dass ein Mensch für ein Verbrechen, für das er verantwortlich war, ins Gefängnis gegangen ist, auch wenn er es eher unbedacht als willentlich begangen hatte. Und das belastet mich bis heute.
    Infolgedessen hatte ich mir wieder einmal versprochen, mich nur noch um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern und nicht mehr die Nase in Dinge zu stecken, die mich nicht wirklich etwas angehen, um nicht andere in Schwierigkeiten zu bringen. Doch Neugier und persönlicher Stolz, die Versuchung, zu sehen, ob ich nicht in der Lage sein könnte, die Dinge zu durchschauen, sind schon immer stärker gewesen als mein Willen.
    Um zu diesen Schlussfolgerungen zu kommen, bin ich nach dem Ausschlussverfahren vorgegangen: Ich habe nach und nach, je nachdem, welche Informationen ich jeweils bekam, einen nach dem anderen die Verdächtigen aus dem Verzeichnis der möglichen Mörder gestrichen.
    Ich habe angefangen, mich für den Tod Ihrer Schwester zu interessieren, nachdem Sie in der Bar vorbeigekommen waren, um eine Cola zu trinken. Einige Tage später – und nachdem ich auf etwas unehrenhafte Weise Informationen eingeholt hatte – bin ich zu dem Schluss gekommen, dass, wer auch immer für den Tod Ihrer Schwester verantwortlich war, er sich erst nach dem Autounfall dazu entschlossen hatte, sie zu töten, weil die Motive für einen Mord vor dem Unfall nicht existierten. Um es ganz einfach auszudrücken: Vor dem Autounfall wäre es niemandem in den Sinn gekommen, Marina zu ermorden.
    Wie Sie vielleicht wissen, sind die Einzigen, gegen die wegen Mordverdachts ermittelt wird, Stefano Carpanesi und seine Frau Angelica Carrus. Das Motiv, das die beiden hätte antreiben können, ist dasselbe: die Tatsache, dass Marina Geld von Carpanesi verlangte und ihn mit der Möglichkeit erpresste, der Welt zu eröffnen, dass er einen unehelichen Sohn hat, und so Ehe und politische Karriere zu ruinieren. An Letzteren lag auch Dottoressa Carrus etwas.
    Doch Carpanesi hatte nie wirklich Gelegenheit, Marina zu ermorden: Bei seinem einzigen Besuch im Krankenhaus wurde er von vier Personen begleitet, und um das zu tun, was getan worden ist, hätte er notwendigerweise allein sein müssen. Folglich hatte Carpanesi nicht die Gelegenheit dazu.
    Was seine Frau betrifft, so hatte sie sich über Marinas Gesundheitszustand informiert und wusste als Neurologin sehr gut, dass Marina sich nie wieder von diesem Unfall erholt hätte. Die Traumata, die sie davongetragen hatte, hatten das Gehirn irreversibel geschädigt. Was Marina erwartete, war ein Dahinvegetieren, und Carrus wusste das. Folglich hatte sie keinerlei Grund, Marina zu ermorden. Darüber hinaus hat die Methode, die für den Mord gewählt wurde, nur funktioniert, weil der Mörder, entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, richtig Schwein gehabt hat; nicht einmal ein Student im ersten Semester hätte diese Methode gewählt, um jemanden zu ermorden.
    Das Problem ist, ich habe zwar erkannt, dass der Autounfall fundamental dafür war, das Mordmotiv erst zu erschaffen, aber das Motiv selbst habe ich nicht richtig verstanden. Als ich von den Verfügungen im Testament von Sirio Fabbricotti erfahren habe, ist mir klar geworden, dass der Tod Ihres Neffen Giacomo zu einer grotesken Situation geführt hatte: Marina, vom eigenen Ehemann vom Erbe des Familienvermögens ausgeschlossen, gelangte durch den Tod des Sohnes wieder in dessen Besitz.
    Oder besser: Sie erbte das, was der Treuhänderschaft des Notars Aloisi anvertraut worden war.
    Niemandem ist in den Sinn gekommen, dass der Notar die ihm anvertrauten Gelder unbedacht oder schlichtweg unvorteilhaft hätte investieren können. Er hätte ja, zum Beispiel, alles in Aktien investieren können, die infolge der Krise an Wert verloren haben. Oder er hätte diese Gelder zum Spekulieren nehmen können,
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