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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista
Autoren: Marco Malvaldi
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wie er es in seinem Restaurant tun würde. Aber ja, dem Boccaccio! Genau dem, wo man wirklich gut isst, dem mit den unglaublich phantasievollen Vorspeisen. Sehr gut, das mit diesem riesigen Koch, der, falls man es einmal wagt, ein kritisches Wort über das Essen fallen zu lassen, und der Ton stimmt nicht ganz, innerhalb von zehn Sekunden neben einem steht und einen anglotzt, als würde er einem liebend gerne eine Portion Ohrfeigen servieren, wenn da leider nicht die anderen Gäste wären.
    »Averna, corretto sassolino , ein neuer Mitspieler. Falls die Mitspieler aus sind, ein Eis. Was für ein Eis?«
    »Joghurt und Schokolade. In der Waffel, nicht im Becher.«
    »In der Waffel, in der Waffel.«
    Aldo geht vom Billardraum durch einen kurzen Flur in den Hauptraum der Bar. Hinter dem Tresen stehen zwei Personen. Eine hübsche junge Frau mit rotem Haar, was einem jedoch erst als Zweites auffällt. Die zweite Person ist um die fünfunddreißig, hat schwarze, gelockte Haare, das Profil eines sarazenischen Piraten mit einer langen Adlernase und einen halb aufmerksamen, halb mürrischen Gesichtsausdruck. Wenn ihr die Bar kennt, dann wisst ihr ganz genau, dass die junge Frau Tiziana heißt und dass das Erste, was einem an ihr auffällt, ein paar wunderschöne Brüste sind. Des Weiteren wisst ihr, dass der Typ mit dem Piratengesicht Massimo heißt und ihm die Bar gehört und dass er aus irgendeinem seltsamen Grund fest davon überzeugt ist, der Gast wisse nicht immer von alleine, was er bestellen sollte. In diesem Augenblick ist Massimo gerade dabei, einen Behälter mit einer Wolke aus glattem, weichem und kompaktem weißem Eis, das gerade aus der Eismaschine kommt, in die Eistheke zu stellen. Der Behälter passt nicht gleich in den Zwischenraum, und Massimo, der so viele gute Eigenschaften hat, dem es jedoch an handwerklicher Geschicklichkeit mangelt, versucht, ihn an seinen Platz zu schieben, indem er ihn systematisch vor und zurück bewegt. In Wirklichkeit würde er ihn am liebsten hineinprügeln, aber er reißt sich zusammen.
    Aldo fängt schon an zu sprechen, als er den Tresen noch nicht erreicht hat, gerade so, wie er es im Restaurant macht, wenn er in die Küche kommt, nachdem er die Bestellungen aufgenommen hat.
    »Massimo, mach mir bitte eine Limonade, einen Averna, einen corretto al sassolino. Und ein Eis in der Waffel, Joghurt und Schokolade. Danke.«
    »Limonade, Averna, corretto al sassolino «, antwortet Massimo in neutralem Ton, ohne den Blick von der Eistheke zu nehmen.
    »Und ein Eis in der Waffel, Joghurt und Schokolade.«
    »Da bin ich mir nicht sicher. Wie lange spielt ihr noch?«
    »Keine Ahnung, ein oder zwei Partien.«
    »Ein oder zwei Partien. Also kein Eis in der Waffel.«
    »Komm schon, stell dich nicht so kindisch an, bitte. Wenn du rein möchtest, wir sind in einer halben Stunde fertig.«
    »Es geht nicht darum, dass ich spielen möchte. Es geht darum, dass ihr spielt.«
    »Na gut. Und was hat das, bitte schön, miteinander zu tun?«
    »Wer hat vor einer Woche den Tisch verschmutzt, indem er einen Riesenkübel Nusseis darüber ausgekippt hat?«, fragt Massimo, während er weiterhin, allerdings immer gewaltsamer, versucht, den Eisbehälter davon zu überzeugen, an seinen Platz zu passen.
    »Ah, deshalb. Ja, zugegeben, das war Ampelio. Aber jetzt …«
    »Und wer hat das Tuch dann mit so viel Liebe und Geduld wieder sauber gemacht?«, insistiert Massimo, der inzwischen doch angefangen hat, auf den Eisbehälter einzuschlagen.
    »Massimo?«, rät Aldo, längst unfreiwillig der Mäeutik des Barista auf den Leim gegangen.
    »Genau. Bestanden. Zur Belohnung schulde ich dir eine Erklärung. Da mein Großvater immer gestikuliert wie ein Börsenhändler, auch wenn er isst, gebe ich ihm kein Eis in der Waffel, solange er sich in einem Umkreis kleiner als sechs Meter um den Billardtisch aufhält.«
    »Und jetzt? Du würdest es ihm wohl auch nicht im Becher geben, oder?«
    Ein Wunder. Der Eisbehälter ist an seinen Platz gerutscht, und Massimo beäugt ihn misstrauisch, als wollte er sagen, wenn du gleich gewollt hättest, hättest du’s leichter haben können. Dann blickt er Aldo an.
    »Nichts. Weder Waffel noch Becher. Hinterher, wenn ihr fertig seid, gebe ich ihm sogar zwei in der Waffel.«
    Aldo breitet die Arme aus. In der Zwischenzeit hat Tiziana unbemerkt den ganzen Rest der Bestellung auf ein Tablett gestellt, das sie Aldo nun über den Tresen hinweg reicht. Aldo, ganz Gentleman und Mann von Welt,
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