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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista
Autoren: Marco Malvaldi
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seit der letzte Held, der so groß war, dass er Ampelios Phantasie das Wasser reichen konnte, von der Bildfläche verschwunden ist. Und Radrennen gucken macht ohne Ampelio nun einmal nur halb so viel Spaß.
    »Schalten wir nun nach Turin, wo ein dornenreicher Erbschaftsstreit weiterhin die Familie Agnelli spaltet. Hier unser Bericht.«
    »Immer noch sind die sich seit Jahren hinziehenden Erbstreitigkeiten der Agnellis nicht abgeschlossen.Zu Beginn des Sommers hatte ein Schlichter die beiden Konfliktparteien zusammengerufen, um zu klären: Hat eine der beiden überhaupt das Recht …«
    » Ob eine der beiden überhaupt das Recht hat, verflixt noch mal«, sagte Aldo und übertönte mit Leichtigkeit den Ton des Fernsehers mit seinem schönen Bariton. »Ein indirekter Fragesatz.«
    »Ja, die Grammatik …«, gesellte sich ihm Rimediotti bei. »Ist einfach nicht mehr modern. Wirkt altbacken. Heute redet man lieber wie der letzte Dreck, nur um jung zu wirken.«
    »Ich weiß, aber das sind Journalisten. Man sollte doch meinen, die wären zur Schule gegangen. Wenigstens die Grundschule sollten die doch abgeschlossen haben.«
    »Ach, zu meiner Zeit, in der Grundschule«, mischte sich Ampelio ein, »da haben die einem noch Lesen und Schreiben beigebracht. Heute lernst du erst mal Computer und Englisch. Da kannst du noch nicht mal richtig Italienisch, und die bringen dir schon Englisch bei. Ich bitte dich …«
    Was hingegen das Thema Wahlen angeht, wird alles diskutiert: Verwaltungsgremien, Politik, Europa – jedes Mal, wenn »das Volk« aufgerufen wird, zu entscheiden, von wem es sich ausrauben lässt, ist die gesamte offizielle Belegschaft der Bar zur Stelle.
    Die Pensionäre verfolgen die Wechselfälle der politischen Schlachten, gleichmäßig aufgeteilt auf eine Partei pro Kopf, wie es sich für Italiener gehört, mit der Leidenschaft derjenigen, die schon vor dem Aufkommen der sogenannten Bipolarität angefangen haben, die Politik zu verfolgen.
    Auf der Rechten sind da Rimediotti, von Natur aus misstrauisch und konservativ, der immer schon für die Partei mit der Fackel gestimmt hat, auch damals, als er bereits anfing, dem Glatzkopf und seinen brillanten Ideen zu misstrauen, und Aldo, Liberaler und Freidenker von Geburt, der jede Form von Totalitarismus hasst sowie Steuern und Leute, die überzeugt davon sind, per se im Recht zu sein, und der nichtsdestotrotz Berlusconi wählt; auf der Linken stehen Del Tacca, der es ohne Probleme hinbekommt, im Inneren seines voluminösen Körpers (dessen Umfang etwa das Doppelte eines normalgewichtigen Wählers beträgt) gleichzeitig Katholizismus und Kommunismus zu leben, und Ampelio, der als alter, desillusionierter Sozialist links wählt, auch wenn er dabei stets jeden verflucht, den er wählen muss, und ihn dennoch wählt, denn wen interessiert schon sein Geschwätz von gestern.
    Heute jedoch ist alles anders.
    »Während des heutigen Angelus hat Seine Heiligkeit der Papst daran erinnert, dass die Wissenschaft die Grenzen der christlichen Ethik nicht überschreiten dürfe und es keinen Zweifel daran geben könne, dass das menschliche Leben mit der Empfängnis beginnt.«
    »Na, guck mal einer an, und ich hab eben noch gedacht, fehlt nur noch, dass sie jetzt auch noch den Papst aus dem Hut ziehen«, sagte Ampelio, auf seinen Stock gestützt. »Lachhaft. ›Keinen Zweifel‹, sagt er. Und wenn ich aber doch welche hab, Zweifel?«
    »Ach«, schaltete sich Massimo ein, »das ist doch ganz einfach. Da der Papst unfehlbar ist, bedeutet es, dass es dich nicht gibt.«
    In zwei Wochen wird in Pineta gewählt, eine außerordentliche Wahl, um einen Nachfolger für den Abgeordneten Francesco Fioramonti ins Parlament zu wählen, den Senator, der beim letzten Wahlgang für die Liste der Mitte-Links-Fraktion regulär den Wahlkreis Pineta gewonnen hatte und sich kürzlich einem besseren Leben zuwandte. Genauer gesagt: Nachdem ihm klar geworden war, dass die Schulden, die sein Fuhrunternehmen angehäuft hatte, so hoch waren, dass an einen Sanierungsversuch nicht mehr zu denken war, hatte sich besagter Fioramonti nach Santo Domingo abgesetzt. Bevor er sich absetzte, hatte er noch rechtzeitig die Kasse des Unternehmens um die liquiden Mittel erleichtert: zu wenig, um die Gläubiger zu entschädigen, das stimmte, aber immer noch mehr als genug für ein beschauliches Rentnerleben im Schatten der Palmen.
    Deshalb musste ein neuer Senator gewählt werden.Nun war das Problem, welches Lager man wählen
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