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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista
Autoren: Marco Malvaldi
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lächelt sie an, sieht ihr in die Augen, bedankt sich, nimmt das Tablett und geht. Massimo ordnet in der Zwischenzeit die übrigen Behälter neu, die nicht alle perfekt parallel zueinander stehen, was ihn ärgert. Tiziana hört auf zu lächeln und sieht ihn böse an.
    »Du bist schrecklich.«
    »Nein, ich bin objektiv. Wenn ich meinem Großvater ein Schokoladeneis in die Hand gebe, dann sieht innerhalb von zwei Minuten der Billardtisch genauso aus wie das Eis.«
    »Dann eben verlogen. Letztes Mal habe ich den Billardtisch sauber gemacht.«
    »Stimmt. Willst du einen Euro mehr, oder gibst du dich mit der Auszeichnung als Angestellte des Monats zufrieden?«
    »Es reicht mir, wenn du mir zwei Wochen Urlaub gibst. Im September.«
    »Im September. In Ordnung. Kein Problem.«
    »Vom zweiten bis zum achtzehnten.«
    »Kein Problem. Du kannst es ja mit Überstunden ausgleichen. Lass mal sehen, als Erstes müsste das Auto gewaschen werden. Dann hab ich zu Hause noch einen ganzen Berg Bügelwäsche. Leichte Sachen, keine Sorge, keine Hemden; die geb ich meiner Mutter. Dann …«
    »Massimo, komm …«
    »Mach dir keine Sorgen. Vom zweiten bis zum achtzehnten September. Hör mal, in einer halben Stunde geh ich ein bisschen Billard spielen. Wenn du mich brauchst, ruf mich.«
    »Gut. Danke.« Jetzt reicht Tizianas Lächeln von einem Ohr zum anderen.
    »Keine Ursache, wär ja noch schöner. Außerdem, im September …«, er unterbricht sich, als er Ampelio kommen sieht, »… sind ja sowieso nur noch die Alten hier. Was gibt’s, Großvater?«
    »Muss ich dir das wirklich sagen?«, grummelt Ampelio.
    »Nein, vielleicht ist es besser, wenn ich versuche zu raten. Du willst mir was befehlen, stimmt’s?«
    »Befehlen? Mein Feldwebel, der hat befohlen! Capecchi hieß er, kam aus Reggio Emilia. Der hat befohlen, und wir mussten alle machen, was er gesagt hat. Und da hat man wirklich seine Haut riskiert, da gab’s keine Widerworte. Als ich jung war, wenn da einer was befohlen hat, dann wurde das gemacht. Heute bin ich alt und schon gar nicht beim Militär, maremma cingiale , aber nicht mal an der Bar krieg ich, was ich will. Sag du mir, ob das normal ist!«
    »Zu allererst, schrei nicht so herum. Ich bin nicht Oma Tilde, und ich höre, auch wenn du nicht herumbrüllst wie ein Muezzin. Zweitens, mit dem armen Feldwebel Capecchi quälst du mich schon ein Leben lang, also lassen wir ihn in Frieden ruhen. Drittens, dass ich dir kein Eis gebe, hängt einzig und allein mit meinem Wunsch zusammen, der Billardtisch möge sauber bleiben. Da ein Eis für dich und ein sauberer Billardtisch nachweislich zwei einander widersprechende Angelegenheiten sind, gebe ich dir kein Eis. In einer halben Stunde, wenn ihr fertig seid, gebe ich dir so viel Eis, wie du willst.«
    »Hm! So viel ich will. Schön wär’s«, knurrt Ampelio.
    »Hast recht«, stimmt Massimo zu. »Sagen wir, ich gebe dir eins.«
    »Mach mir einen Kaffee, ja.«
    »Trinkst du ihn hier?«, fragt Tiziana, während sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen macht.
    »Nein, ich nehm ihn mit nach hinten zum Billard und schütte ihn da aus. Zumindest kostet der nicht so viel wie das Eis.«
    Da mischt sich Pilade, der seinerseits aus dem Billardzimmer hereingekommen ist, mit seinem nur allzu vertrauten Ton lästiger Autorität ein.
    »Als ob du hier bezahlen würdest, also wirklich …«
    Da ist nichts zu machen: Es gibt einfach Menschen auf der Welt, denen von Natur aus unbestreitbare Talente in die Wiege gelegt werden, welche sich bereits extrem früh bemerkbar machen. In der überaus gelehrten Biografie Aberts über Mozart steht, dass dieser sein erstes Menuett bereits mit vier Jahren komponierte, als er noch kaum an die Tasten reichte. Ganz ähnlich gibt es Schwarz-Weiß-Fotografien, die Diego Armando Maradona mit acht Jahren beim Fußballspielen zeigen, auf denen er den Ball mit einer Sicherheit in der Luft hält, wie sie sogar bei einem Erwachsenen zutiefst beeindruckend wäre.
    Genauso war Pilade Del Tacca wahrscheinlich schon als kleines Kind, also lange bevor er Kommunalbeamter wurde, in der Lage, sich über jedes erträgliche Maß hinaus lästig und nervtötend zu verhalten; vergleichbare Meisterschaft ist ohne natürliche Begabung einfach nicht zu erreichen. Es war nicht zu übersehen, wie der gute Pilade das Menschengeschlecht reizte und auch noch Spaß dabei hatte. Er war stets heiter, aufgeräumt und unerschütterlich. Die gute Laune eines Menschen, der sich weder Gedanken
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