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Polifazios Vermächtnis (German Edition)

Polifazios Vermächtnis (German Edition)

Titel: Polifazios Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Thomas Riedel
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In den Minen Xandriats
     
    Himbi kniete schweißgebadet vor seinem Rucksack und betrachtete voller Stolz das Ergebnis seiner stundenlangen Arbeit. Vor ihm, gut im Rucksack verstaut, lag der kindskopfgroße, makellose Bergkristall, den er soeben aus der Wand des Stollens geschlagen hatte. Der Lichtschein seiner Laterne wurde auch jetzt noch von dem Kristall in sämtlichen Farben des Regenbogens gebrochen. Von etwas weiter weg betrachtet sah es fast so aus, als würde das Licht seiner Laterne, das den Stollen in einem Umkreis von drei Metern erhellte, aus dem Rucksack strahlen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schloss Himbi schließlich seinen Rucksack. Gerade als er aufstehen wollte, da hörte er aus der Dunkelheit des Stollens plötzlich wieder dieses schlürfende Geräusch, das ihn schon seit Tagen verfolgte. Schnell blickte sich Himbi in Richtung des Geräusches um. Doch er konnte nichts erkennen. Zu dunkel war es im Stollen. Wieder fragte er sich, welche Kreatur für dieses grauenhafte Geräusch verantwortlich sein mochte. Er war jetzt schon 60 Jahre auf der Welt. Fast sein ganzes Leben lang hatte er tief unter den Bergen Kathasars verbracht, wo er geboren worden war. Genau wie sein Vater Fobosch, so hatte auch er fast fünf Jahre lang als Minenarbeiter in den verschiedensten Bergwerken des Landes gearbeitet. Doch in all der langen Zeit war ihm kein derartiges Geräusch in den Stollen aufgefallen. Er konnte sich das nicht erklären. Eigentlich sollte es hier unten nur Ratten und Fledermäuse geben. Doch diese erzeugten nicht solche Geräusche. Langsam und so leise wie möglich stand Himbi auf. Das Geräusch kam immer näher.
     
    „Gut, gleich wissen wir, was es ist!“ Versuchte Himbi sich zu beruhigen.
     
    Dennoch machte sich Angst in ihm breit. Sollte er wohlmöglich hier unten in den alten feuchten Kristallminen sein Ende finden? Wüste Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Plötzlich musste er an Iria denken. Iria, sie war der Grund, warum sich Himbi ganz allein hier unten in dem alten Bergwerk herumtrieb. Nur für sie hatte er all die Gefahren, die hier auf ihn warten konnten, in Kauf genommen. Himbi war bis über beide Ohren in Iria, die Tochter seines Arbeitgebers, verliebt. Um ihren Vater davon zu überzeugen ihm die Hand seiner Tochter zum Bund der Ehe zu geben, musste Himbi ein Brautgeschenk von besonderer Schönheit und Kostbarkeit finden. Bei dem Gedanken an das Geschenk blickte er kurz zu dem Rucksack hinunter, der noch immer neben ihm auf dem steinigen Boden lag. Himbi schüttelte kurz seinen Kopf, um die wüsten Gedanken los zu werden. Und mit einem Male konnte er nur noch an eines denken. Nun, wo er so weit gekommen war, und sogar ein passendes Geschenk für Irias Vater gefunden hatte, da durfte er ganz einfach nicht mehr scheitern. Nein, er war nun entschlossener denn je Iria wieder zu sehen. Und auf einmal wandelte sich seine Furcht zu Entschlossenheit und Mut. Das Geräusch war nun nicht mehr weit weg. Noch immer konnte Himbi nichts im Stollen erkennen. Himbi ertrug diese Warterei nicht länger. Er wollte endlich wissen, mit was er es zu tun hatte. Schnell stellte er seine Grubenlampe neben den Rucksack und legte seine Armbrust an.
     
    „Halt, keinen Schritt weiter!“, sagte Himbi mit kräftiger Stimme.
     
    Das Echo seiner Worte hallte noch weit den Gang hinunter.
     
    „Gebt euch zu erkennen!“, befahl Himbi streng.
     
    Doch er bekam keine Antwort. Gerade als er seine Worte noch einmal wiederholen wollte, da blieben sie ihm auf der Stelle im Halse stecken. Mit geöffnetem Mund stand Himbi dort und starrte in den Gang. Vor ihm in der Dunkelheit bildete sich der gedungene Umriss einer unbekannten Kreatur ab. Langsam trat sie aus der Dunkelheit immer mehr ins Licht. Mit einem schlürfenden Geräusch schlich sie immer näher an Himbi heran. Plötzlich erkannte er, um was es sich bei dieser Kreatur handelte. Ein Guhl!
     
    „Aber wie ist das möglich? Ein Guhl, hier?“ fragte sich Himbi.
     
    Himbi hatte noch nie einen lebenden Guhl gesehen. Er kannte diese scheußlichen Geschöpfe nur aus den alten Geschichten und von Bildern. Soweit er über Guhle bescheid wusste, hielten sie sich immer dort auf, wo es frische Leichen gab. Auf Friedhöfen oder auf Schlachtfeldern. Und nur in den seltensten Fällen traten sie in Gruppen auf. Doch was machte dieser Guhl hier unten in den Minen? Himbi dachte angestrengt nach. Der Guhl hielt für einen Moment inne und betrachtete Himbi von oben bis
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