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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter
Autoren: James Morrow
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lassen. Kannst du dir das vorstellen?« Mit lässiger Grausamkeit schlug Wyvern seine Klauen in das Schweinchen und begann es bei lebendigem Leib abzuhäuten. »Ich mußte eingreifen.«
    Phoebe umklammerte den Griff der Smith & Wesson. »Weißt du was, Wyvern?« Das Schwein quiekte entsetzlich. »Du bist krank.«
    »Mein Gift hat Katz umgebracht, nicht das Karussell, nicht die Nägel. Conium maculatum, ein ganzer Schwamm voll.« Wie ein verkommener Töpfer formte Wyvern das klebrige Schweinefleisch zu einem Football. »Und plötzlich kommt der Teufel selbst von der Bank und bringt den Touchdown durch!« Er warf den Ball im Bogen in die Nachbarbox, was dort aufgeregtes Geflatter auslöste.
    »So bin ich eben – immer der Gewinner!«
    »Du siehst nicht danach aus.«
    Wyvern drückte die Pall Mall aus und zündete eine neue an. »Dein Dynamit in ihrer Hand«, seufzte er. »Ihre lausige Abkapselung. Aber jetzt geht’s mir besser, danke. Gib mir ein bißchen Milch.«
    »Huh?«
    »Ein bißchen Milch.« Der Teufel zeigte mit seiner Zeigefingerklaue auf das Erdnußbutterglas. Er schluckte trocken. »Bitte.«
    »Dachte, sie sind Vegetarier.«
    »Lacto-ovo.« Er zog an der Pall Mall. »Bring es her.«
    »Hol’s doch selber.«
    »Bin momentan nicht so furchtbar gut zu Fuß.« Wyvern blies einen gezackten Rauchring in die Luft. »Vorübergehende Unpäßlichkeit. Jetzt, wo sie tot ist, komm ich wieder auf die Füße« – er schnippte mit den Fingern, eine leuchtende Schwefelkugel sprang aus seiner Hand –, »und zwar – so.«
    Phoebe stand auf, bürstete Heu von den Jeans und holte die Milch.
    »Danke.« Wyvern legte seine blutbesudelte Hand um das Glas, schraubte den Deckel ab, nahm einen tiefen Schluck. »Großartig, mein Kind. Geht eben nichts über Hausgemachtes.«
    »Es ist für mein Baby bestimmt, nicht für dich.«
    »Und wenn schon – ich möchte mich revanchieren.«
    »Womit denn? Pferdepisse?«
    »Damit.«
    Wyvern scharrte im Heu herum und zog eine Flasche heraus. Phoebe schauderte vor Sehnsucht und Schrecken. Ach, die Paradiese, die der Rum ihr geschenkt hatte, sonnenglänzende Strände, blaue Lagunen, Jacuzzis mit Eselsmilch!
    »Frisch aus Palo Seco, Kindchen.« Er drückte ihr den Bacardi in die Hand.
    Bacardi, der beste. Sie studierte die dünn ausgespannte Fledermaus auf dem Etikett. Ihre alte Freundin.
    »Hoch die Tassen!« sagte Wyvern.
    »Hi«, sagte Phoebe zur Fledermaus.
    »Cheers«, sagte der Teufel.
    »Hi«, sagte Phoebe noch einmal. Dann atmete sie tief durch, wie es ihre Mutter ihr beigebracht hatte. »Hi, ich bin Phoebe, und ich bin Alkoholikerin.«
    Sie machte eine kleine Vertiefung im Heu und schüttete den Rum hinein.
    »Ich wußte, daß du das sagen würdest, ich wußte es einfach!« Wyvern paffte seine Pall Mall und hustete so heftig, daß Phoebe schon darauf wartete, wie seine Rippen sich vom Brustbein lösen würden. »Macht nichts. Das war trotzdem eine wundervolle Woche für mich. Der Zirkus hat sie wirklich gut angenagelt. Warum hast du ihn nicht erschossen?«
    »Wen?«
    »Den Großpastor. Billy Boy. Du hättest ihn umlegen sollen.«
    »Yeah? Nun, es erschien mir immer mehr eine ganz blöde Idee zu sein.«
    »Du hast mich enttäuscht, Phoebe. Richtiggehend verletzt.«
    »Dieser Schluß hätte in Katz’ Biographie zu schlecht ausgesehen. Ich schreib dran. Aber dann kam Gott selbst und erledigte den Job.«
    »Die Biographie?«
    »Die Ermordung.«
    »Nein, das war nur ein Blitz, Kindchen.« Der Teufel hustete. Ein Geräusch wie von einer tuberkulösen Orgelpfeife. »Wenn du wirklich ihre Biographie schreibst, solltest du dich um die richtigen Fakten kümmern. Sie und ich sind jetzt nämlich in derselben Lage. Altes Eisen. Nicht einmal die Hölle braucht mich mehr. Wie ich höre, haben sie dort schon ein verdammtes Parlament!« Er hustete wieder. »Es gab einmal eine Zeit, da konnte ich mit einem Wink meiner Hand einen ganzen Exxon-Supertanker aufschlitzen. Ein einfaches Nicken des Satans, und plötzlich ergoß der Popocatepetl einen Haufen geschmolzene Scheiße auf Quauhnahuac. Ich mußte nur an Konterrevolution denken, und – glitsch! – eine Million Tansanier weiden sich gegenseitig aus. Wenn die Leute von nun an das Böse auf ihrem Planeten haben wollen, müssen sie das aus anderen Quellen beziehen – nicht mehr von mir. Aus der Natur. Aus sich selbst.«
    »Aus den üblichen Quellen«, sagte Phoebe.
    Der Teufel schaute beleidigt und amüsiert drein. »Die üblichen Quellen«, sagte er
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