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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Martin Suter
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hintere Ende des Tankanhängers, kam eilig zurück, stieg auf und fuhr los. Das Gefährt hinterließ eine breite, braune Güllespur im Schnee.
    Im Tobel lag kaum mehr Schnee. Blank kletterte hinauf bis zuoberst, wo der Mergel an das schmale Felsband stieß. So waren seine Spuren außer Sichtweite und er konnte die Höhle von oben erreichen.
    Er setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen und hielt sich an Stämmen, Sträuchern und Wurzeln fest.
    Wenn er nicht so genau darauf geachtet hätte, wo er seinen Fuß hinsetzte, wäre ihm der Kothaufen vielleicht nicht aufgefallen. Er stammte von einem Menschen, der darüber hinaus Toilettenpapier benützte. Blank benützte Wasser. Und er hatte sich seine Latrine ein Stück weiter vorne gebaut, mit etwas Abstand zur Höhle.
    Er zog leise seinen Rucksack aus und sicherte ihn an einer jungen Fichte. Er holte sein Jagdmesser aus der Tasche und klappte es auf.
    Der Schnee hatte das raschelnde Buchenlaub aufgeweicht. Es gelang ihm, den Fuß fast geräuschlos aufzusetzen. Er wartete eine Minute, bis er den nächsten Schritt tat.
    Zwanzig Minuten später stand er neben dem Höhleneingang an die Sandsteinwand gepreßt.
    Er wartete.
    Nach einer Weile vernahm er ein Räuspern.
    Blank hatte in den letzten Monaten viele Stunden wartend vor so manchem Kaninchenbau zugebracht. Er hatte gelernt, sich still zu verhalten, die Zeit verstreichen zu lassen und sich nicht überraschen zu lassen, wenn das Kaninchen plötzlich herauskam.
    »Such verloren!« befahl Welti immer wieder seinem Rambo, der sich mit allem, was er hatte, in den Schweißriemen legte. Dazwischen sagte er: »Brav, brav!« und blickte sich stolz nach Blaser um, der den beiden etwas außer Atem folgte. Sie hatten die Spur in der Schwitzhütte aufgenommen, und Rambo hatte sie bis hierher nicht mehr verloren.
    Blaser war nicht sehr beeindruckt von dieser Leistung. Er hätte sie sich selbst auch zugetraut. Die Spur war im Schnee deutlich zu erkennen.
    Er war ein wenig zurückgefallen und bemerkte jetzt, daß Welti auf ihn wartete. Als er ihn erreichte, sah er auch, weshalb. Sie standen am Waldrand, vor ihnen lag ein großes, frisch gegülltes Feld. Die Spur führte direkt in die Gülle.
    »Da kann ich nicht durch mit Rambo, sonst verliert er die Witterung.«
    »Mit mir auch nicht«, antwortete Blaser, »sonst verliere ich meine Frau.«
    Sie umgingen das Feld. Sie folgten dem Waldrand nach Osten bis zu der Stelle, wo der Schnee wieder weiß war.
    Dort führte ein Weg in den Wald. Am Wegrand war ein tannengrüner Dodge Adventure Pickup mit getönten Scheiben geparkt. Er mußte schon vor dem Schneefall dort gestanden haben.
    Der Mann, der aus der Höhle trat, hatte einen Repetierstutzen. Er trug einen Parka und eine Sturmhaube.
    Ein Instinkt mußte ihn gewarnt haben, denn in der gleichen Sekunde, als Blank ihn ansprang, drehte er sich um. Er ließ den Stutzen fallen und bekam die Hand mit dem Messer zu fassen.
    Blank packte das linke Handgelenk des Mannes. So standen sie sich gegenüber. Der Mann war kleiner als er. Aber zäh und drahtig.
    Jetzt erkannte er Pius Ott.
    Ott versuchte es mit einem Kniestoß zwischen Blanks Beine. Blank wehrte Ott ab, indem er ihn zu Boden warf.
    Ott kämpfte wie ein Terrier. Sie wälzten sich vor der Höhle, rutschten von der Plattform und rollten ineinander verkeilt den Hang hinunter.
    Beim Bach wurden sie vom Stamm einer Buche brüsk gestoppt.
    Ott, vom Aufprall benommen, lockerte seinen Griff. Blank bekam die Hand mit dem Messer frei.
    Er drehte Ott den Arm auf den Rücken und setzte die Spitze des Jagdmessers zwischen der dritten und der vierten Rippe links an.
    Never hesitate.
    Aber etwas hinderte ihn daran zuzustoßen.
    Blank ließ Ott los. Er stand auf, klappte das Messer zu und ließ es in die Tasche gleiten.
    Ott lag keuchend vor ihm im Matsch aus Laub, Walderde und Schnee.
    Blank schüttelte den Kopf und lächelte.
    Er sah genau, wie Otts rechte Hand langsam unter den Parka glitt. Er hätte Zeit gehabt, ihn daran zu hindern. Aber er wartete lächelnd, bis sie mit der Luger wieder zum Vorschein kam.
    Blank fühlte sich gut.
    Auch noch, als ihn der Schuß traf.
    Pius Ott stand ernst am Rande der kleinen Grube, die er mit seinem Klappspaten im weichen Waldboden ausgehoben hatte. So verharrte er ein paar Augenblicke. Dann nahm er den Trauerbruch aus einem Eibenzweig vom Hutband und warf ihn ins Grab.
    Er nahm den Spaten und begann zu schaufeln.
    Die erdige Schicht aus schwarzem Humus.
    Die
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