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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Martin Suter
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Nachsehen, was über Nacht passiert war, und ob es Neuigkeiten von Moor gab. Der Kollege im Schalterraum telefonierte. Er machte ihm ein Zeichen. Blaser wartete, bis er aufgelegt hatte.
    »Das war Felder vom Schönacker. Bei ihnen sind Lebensmittel aus dem Vorratsraum weggekommen.«
    »Dann schick jemanden.«
    »Seine Mutter sagt, der Dieb habe gestunken wie eine Feuerwehruniform.«
    »Hat sie ihn gesehen?«
    »Gerochen.«
    Blaser ging zum Ausgang. »Ich fahre selber rauf.«
    »Habe ich mir gedacht«, sagte der Kollege. Blaser war schon draußen.
    Aber nach einem Augenblick kam er zurück. »Falls dieser Moor anruft: Wir haben nichts Neues.«
    Das Tobel war mit einer tiefen Schicht raschelndem Buchenlaub bedeckt. An manchen Stellen versanken die aufgeregten Bracken bis zum Hals. Pius Ott kämpfte sich auf dem steilen Hang vorwärts und versuchte, möglichst wenig Lärm zu machen. Es war aussichtslos. Falls Blank hier war, würde er ihn von weitem hören.
    Alle paar Meter blieb er stehen und versuchte die Hunde zu beruhigen, die im Laub auf immer wieder andere Fährten stießen. Bei jedem Halt suchte er das Terrain sorgfältig mit dem Fernglas ab.
    Weiter oben, unter einem Felsband, entdeckte er etwas, das wie eine Höhle aussah. Er begann hinaufzuklettern.
    Die Hunde hatten die Stelle auch entdeckt. Sie erwarteten Ott mit begeistertem Wedeln. Es war tatsächlich ein Höhle. Sie war getarnt mit Zweigen und gefüllt mit Holz. Mit sorgsam gebündeltem, nach Stärke sortiertem Brennholz.
    Ott rückte die Zweige wieder an ihren ursprünglichen Platz. Etwas weiter vorn bellten die Bracken jetzt. So klang es, wenn sie verendetes Wild gefunden hatten und es totverbellten.
    Ott nahm seine Repetierbüchse von der Schulter und näherte sich vorsichtig.
    Die Hunde bellten in die Öffnung einer weiteren wurzelverhangenen Höhle. Ott entsicherte die Büchse, legte an und ging darauf zu.
    »Rauskommen!« befahl er.
    Nichts rührte sich.
    »Ich zähle bis drei. Eins.«
    Keine Reaktion.
    »Zwei.«
    »Drei.«
    Ott zielte in die Luft und drückte ab. Der Schuß hallte im engen Tobel wider wie auf einem Schießstand. In der Höhle rührte sich nichts.
    Ott schob den Büchsenlauf zwischen die Wurzeln, duckte sich und trat ein.
    Die Höhle war zur Hälfte gefüllt mit Brennholz. Bei der Feuerstelle standen ein paar primitive Gefäße aus selbstgebranntem Ton. Die Glut war noch warm.
    Ott fand einen Vorrat Lebensmittel, darunter ein großes Stück Speckseite. Die Höhle war rauchgeschwärzt und roch wie eine Räucherkammer. Weder ein Schlafsack noch ein Rucksack fand sich darin.
    Pius Ott rührte nichts an. Er verließ die Höhle, ohne Spuren zu hinterlassen, pfiff seinen Hunden und stieg den Hang zum Bach hinunter.

20
     
    Gegen zehn erreichte Blank die Lichtung des Fichtenhofs. Er blieb im Schutz des Waldes, aber zwischen den Stämmen konnte er deutlich die Brandstätte sehen. Er nahm das Fernglas heraus.
    Er spürte keine Regung. Die Ruine sah aus, als hätte sie schon immer dort gestanden. Erst als er die häßliche Schneise sah, die das Feuer in den Wald gesengt hatte, fühlte er etwas wie Bedauern. Jemand hatte begonnen, die Stelle mit jungen Fichten aufzuforsten. Es würde Jahre dauern, bis die Wunde verheilt war.
    Er ging weiter, immer in Sichtweite des Weges, den er vor vielen Monaten mit Lucille und dem Pilzzirkel gegangen war. Auf der Suche nach The Dark Side of the Moon.
    Blank hatte nicht erwartet, daß das Tipi noch stand. Trotzdem war er enttäuscht, als er jetzt die kleine Lichtung betrat und an der Stelle, wo es gestanden hatte, nicht einmal mehr einen Stein der Feuerstelle fand. Oder Vertiefungen dort, wo die Stangen gesteckt haben mußten.
    Dafür stand die Schwitzhütte noch.
    Blank baute neben ihrem Eingang eine Feuerstelle aus Steinen. Er sammelte Holz und machte Feuer. Während sich die Steine erhitzten, machte er in der Schwitzhütte sauber. Er rollte seine Isoliermatte aus und benutzte die Überlebensfolie als Vorhang vor der Tür.
    Er füllte den Kochtopf mit Wasser aus dem Bassin unter dem Wasserfall. Er sägte zwei schwere Äste von einer Fichte, legte sie übereinander neben die Feuerstelle, rollte mit einem Stock ein paar heiße Steine darauf, schleifte sie in die Hütte und kippte sie in die Vertiefung in der Mitte.
    Als alle Steine in der Schwitzhütte waren, zog er sich aus. Er setzte sich auf sein fadenscheiniges Frottiertuch und goß Wasser auf die heißen Steine.
    Die erste heiße Dampfschwade schnitt
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