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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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hatte ganz offensichtlich versagt, denn sonst wäre ich in seinem elektromagnetischen Fangkorb gelandet und nicht im Körper seiner Tochter Estelle. Was merkwürdig und befremdlich genug war, aber eindeutig der Alternative, als Schauobjekt in einem Varieté zu dienen, vorzuziehen.
    »Vater«, sagte Friedrich und legte besänftigend seine Hand auf die herabgesunkene Schulter von Jakob Vanderborg, »ich verstehe Euren Schmerz, denn Estelle und ich haben beide an Eure Erfindung geglaubt. Wir haben die mühsame Fahrt von Berlin bis hierher in die Karpaten nicht gescheut, damit Ihr den Beweis antreten könnt, dass sie funktioniert. Aber ich muss Euch gestehen, seit wir dieses Land betreten haben, habe ich mich gefragt, ob Ihr einen gefangenen Vampir wirklich mit nach Berlin nehmen würdet, um ihn dem Großen Pilati für seine Varietéauftritte zu übergeben … oder soll ich sagen: zu verkaufen? Was wissen wir denn über diese Kreaturen? Was über ihr Denken und Fühlen? Sie ernähren sich wie die Fledermäuse von Blut, sagt man, sie hausen im Dunkeln, weil das Tageslicht sie tötet … sie sind nicht lebendig und nicht tot … aber sie sind menschenähnlich … vielleicht lieben und leiden sie wie wir und die Gefangenschaft wäre für sie ebenso eine Qual wie für einen zu Unrecht Verurteilten im Kerker des Kaisers.«
    Friedrich nahm die Hand von der Schulter seines Vaters und ging um die Maschine herum. Dann setzte er sich zu mir auf die Bank und legte seinen Arm um mich. Ich genoss diese beschützende Geste ebenso wie die klugen, mitfühlenden Worte, die er zuvor gefunden hatte.
    »Das Schicksal hat es nicht zugelassen, Vater«, fuhr er fort. »Wer weiß, wozu es gut ist? Der Mensch soll seinehöhere Planung nicht durch sein niederes Wollen durcheinanderbringen. Lasst uns nach Berlin zurückfahren und dankbar sein, dass es uns nicht schlimmer gestraft hat. Lasst uns froh sein, dass Estelle noch lebt.«
    Ich ließ ihn in seinem Irrtum und legte meinen Kopf an seine Brust. Er roch so gut und ich spürte den starken Schlag seines Herzens, der warmes Blut durch seinen prächtigen Körper trieb. Ganz allmählich begann ich zu begreifen, dass ich durch Vanderborgs Maschine plötzlich wieder ein Mensch war, eine schöne, lebensvolle junge Frau. Und weil meine Rache vollendet war, beschloss ich Przytulek zu verlassen und als Estelle nach Berlin zu reisen. Mit Jakob Vanderborg, diesem verrückten Erfinder, und … Friedrich, der mein kaltes Herz erwärmte.

    A ber Jakob Vanderborg war davon besessen, einen Vampir zu fangen. Jedenfalls wollte er nicht ohne einen nach Berlin zurückkehren. Es wäre eine Schmach für ihn, und so flehte er seinen Sohn geradezu an: »Wir müssen es noch einmal versuchen, Friedrich. Ich werde die Maschine reparieren, ich werde es schaffen, sie wieder funktionstüchtig zu machen, ein Fehlversuch kann doch nicht das ganze Projekt zum Scheitern verurteilen. Das Phänomen der Schwerkraft wäre nie entschlüsselt worden, hätte Newton nicht immer und immer wieder einen Stein zur Erde fallen lassen … wir müssen an die Maschine glauben, dann wird sie ihre Wirksamkeit auch entfalten …«
    Er brachte den Gedanken nicht mehr zu Ende, denn das Gewitter hatte sich an den Gipfeln der Hohen Tatra gestoßen und war nun zurückgekehrt. Ohne Ankündigung, nur von einem dumpfen Grollen und einem seltsamenWetterleuchten begleitet, brach es urplötzlich mit einer unglaublichen Wucht über uns herein. Vanderborg war wie von Sinnen. Er stürzte an die Maschine und warf, wie es mir schien, aber vermutlich nicht der Tatsache entsprach, wahllos verschiedene Schalter um und drehte, während uns Blitz auf Blitz um die Köpfe zischte, an Rädern und Knöpfen, bis der Apparat tatsächlich kreischte und ächzte und schließlich mit einem Höllenlärm ansprang.
    Ein eigenartiges Flattern ließ mich herumfahren, und starr vor Entsetzen sah ich, wie sich vom Burgfried ein riesiger Schwarm Vampirfledermäuse löste.
    Friedrich riss mich mit sich hinter einen großen, noch aufrecht stehenden Grabstein, direkt bei dem Engel an der Steinbank. Der Schwarm brauste über uns hinweg und stürzte sich in taumelndem selbstmörderischem Flug auf die Maschine, neben die sich Vanderborg, die Hände schützend über dem Kopf, zu Boden geworfen hatte. Ein Blutsauger nach dem anderen fiel wie tot hernieder, sodass die kleinen pelzigen Körper, plötzlich flügellahm, bald die Maschine bedeckten und es nicht lange dauerte, bis diese mit
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