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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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welches mich so plötzlich zurück ins Leben geschleudert hatte.
    Zunächst sprachen Friedrich und Estelles Vater in der Kutsche miteinander und ich hörte in der Dunkelheit nur ihre erregten Stimmen, ohne Wortlaut und Sinn ihres Gespräches erfassen zu können. Doch dann entstiegen sie dem Gefährt, griffen nach den Laternen und gingen hinüber zu dem Gräberfeld, wo zwischen verwitterten und umgestürzten Grabmalen ein Anhängerfuhrwerk mit einer vom Blitzschlag schwer mitgenommenen Maschine stand.
    »Vater, so begreift doch«, sagte Friedrich laut und hörbar aufgebracht , »mit dieser Maschine werdet Ihr niemals einen Vampir fangen. Das Einzige, was Ihr gefangen habt, war ein verheerender Blitz, der Estelle fast getötet hätte.«
    Jakob Vanderborg ging um die Maschine herum, inspizierte sie gründlich und schüttelte hin und wieder den Kopf, wenn er versuchte an einem festsitzenden Rad zu drehen oder an einem Verbindungsstück rüttelte. Im Mondlicht sah ich, wie er mit einem Gehstock, dessen silberner Knaufdem Kopf eines Löwen nachgebildet war, nun an die Maschine pochte und dem dadurch verursachten Geräusch hinterherlauschte. Eine Erkenntnis schien ihm dadurch nicht zu kommen.
    »Ich verstehe es nicht«, sagte er mit verzweifeltem Ausdruck in der Stimme, blieb stehen und zwirbelte seinen imposanten Schnurrbart, der bei einem Mann mit seiner Statur ein wenig übertrieben wirkte. »Die Elektrizität des Blitzes hätte vollkommen ausreichen müssen, um wie geplant das Magnetnetz zu erzeugen und damit einen Vampir zu fangen.«
    »Aber der Blitz war viel zu heftig und er ist nicht nur in die Maschine gefahren, sondern auch in Estelle. Er hätte sie fast getötet!«, warf Friedrich ein. »Ihr treibt ein gefährliches Spiel mit einer Erfindung, die nicht ausgereift ist.«
    Vanderborg klang ärgerlich angesichts der Respektlosigkeit seines Sohnes. »Ich habe sie erprobt, bevor wir uns hierher aufgemacht haben … sie hat perfekt funktioniert.«
    Friedrich lachte bitter. »Ihr habt Fledermäuse gefangen! Das ist, als würdet ihr Mausefallen konstruieren und damit Wölfen nachstellen!«
    »Ein schlechter Vergleich, Friedrich«, sprang ich spontan von töchterlicher Liebe getrieben Vanderborg bei. »Der Vater ist ein begnadeter Erfinder. Wie sollte er die Maschine testen, wenn nicht an den einzigen Blutsaugern, die ihm zur Verfügung standen? Du hast sie doch selbst gesehen, die Vampir-Fledermäuse, die Abendsegler … Sie lagen bewegungsunfähig im Fangkorb, aber sie lebten. Das heißt, die Maschine hat funktioniert und sie hätte auch hier funktioniert und einen echten Vampir gefangen …«
    Friedrich unterbrach mich unhöflich: »… wenn es denn hier Vampire geben würde. Vater ist einem Aberglaubenaufgesessen. Die Burg ist eine Ruine seit ewigen Zeiten; sie zerfällt, weil die Grafen sie verlassen haben. Einfach so, vielleicht um in der Stadt ein bequemeres Leben zu haben. Nicht weil sie zu Vampiren geworden sind. Und was immer die jüngsten Todesfälle ausgelöst haben mag, eine Blutkrankheit durch Inzucht vielleicht oder eine unbekannte Seuche, Vampire tragen daran gewiss keine Schuld.«
    Er wandte sich wieder Vanderborg zu: »Der Große Pilati hat Euch einen Bären aufgebunden, als er Euch weismachen wollte, dass hier in diesem Drecksloch in jüngster Zeit Vampire ihr Unwesen getrieben hätten. Wo sind sie denn? Ich wette, die Grüfte stehen leer, bis auf ein paar Sarkophage mit verrutschten Deckeln, die vermutlich vor Jahrhunderten schon von Grabräubern geplündert wurden. Falls es hier je etwas zu plündern gab!«
    Er trat mit dem rechten Fuß gegen ein umgestürztes Grabkreuz, an dem ein zerborstener Heiland klebte.
    »Sein Auftrag, für ihn eine elektrische Maschine zu entwickeln, mit der man Vampire fangen kann, und ihm ein echtes Exemplar dieser Spezies für seine Auftritte im Varieté aus den Karpaten zu besorgen, muss einer Wirtshauslaune entsprungen sein, aber nicht dem rationalen Menschenverstand.«
    Friedrich verhielt seinen Schritt und griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Fuß, der ihm den Tritt gegen den harten Stein offensichtlich übel nahm.
    »Die Wirtshauslaune hat er sich immerhin ein kleines Vermögen kosten lassen. Er wird das Geld zurückverlangen, wenn ich ohne Vampir wieder in Berlin auftauche.«
    Eine scharfe Falte zerteilte Vanderborgs Stirn. Der überdimensionierte Schnurrbart bebte erregt.
    Allmählich begriff ich, was sich abgespielt hatte:Vanderborgs Vampirfangmaschine
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