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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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schleifendem Geräusch kollabierte und dann in die Luft flog. Hunderte von verkohlten und verstümmelten Fledermäusen gingen einem Hagelschauer gleich auf uns nieder, und Metallfedern, Schrauben, Spulen und andere Kleinteile der Maschine flogen uns wie Geschosse um die Ohren.
    »Schnell, in die Burg!«, schrie Friedrich, aber meine Füße stockten. Es war unmöglich für mich, an diesen verfluchten Ort zurückzukehren, auf dessen Schwelle sich die Qualen von Jahrhunderten wie ein stinkender Misthaufen ekelerregend türmten. Wo nackte Angst das Brot meiner Tage und verzweifelte Tränen der Wein meiner Nächte gewesen waren.
    Hätte Friedrich mich nicht an der Hand ergriffen und mit sich gezerrt, ich wäre panisch ins Dorf hinuntergelaufen.
    Doch nun war es zu spät – es war geschehen. Friedrich schob mich durch das halb zerfallene hölzerne Eingangstor der Burg und wenig später standen wir in dem riesigen, modrig riechenden Bankettsaal.
    »Hier können wir bleiben, bis die Gefahr vorbei ist«, sagte Friedrich und ahnte dabei gewiss nicht, dass die eigentliche Gefahr nicht vor der Burg lauerte, sondern neben ihm stand.
    Weil ich noch fast eine der ihren war, konnte ich sie überall sehen, die Untoten, deren rastlose Seelen nichts mehr begehrten, als genau wie ich einen menschlichen Körper zu finden, in dem sie zu neuem Leben erwachen könnten. Aber das Wunder, das mir geschehen war, blieb ihnen verwehrt, und weil sie das wussten, wendeten sie ihren Hass nun gegen mich.
    Körperlose Hände wuchsen aus dem Dunkel, und bleiche, blutleere Finger griffen nach mir, hielten mich fest, krallten sich in meinen Hals und begannen mich zu würgen. Mich befiel eine seltsame Schwäche, die mir bewusst machte, dass ich keine der ihren mehr war.
    Noch nicht wirklich in Estelles Körper zu Hause, hatte ich doch bereits die magischen Kräfte der dunklen Zunft eingebüßt. Ich war ihnen nicht mehr gewachsen, und je enger der Griff um meinen Hals wurde, desto größer war die Gewissheit, dass ich diesen Kampf verlieren würde. Und auch Friedrich würde mit mir untergehen.
    Sie kamen über uns wie ein Heer der apokalyptischen Reiter, und in einer letzten verzweifelten Anstrengung riss ich Friedrich in kopfloser Flucht mit mir und soerreichten wir den Ausgang. Nun nahm auch Friedrich die unheimliche Bedrohung wahr und geriet sogleich in Panik. Die kreischenden und klagenden Seelen der Verfluchten im Nacken rannten wir zum Friedhof, wo Vanderborg wie tot neben der nur noch leise zischenden und qualmenden Maschine auf dem Boden lag. Das Kreuz mit dem zerborstenen Heiland unmittelbar neben sich.
    »Das Kreuz«, schrie Friedrich. »Wir müssen es aufrichten! Ein Kreuz bannt jeden teuflischen Spuk!«
    Als hätte ihn die Stimme seines Sohnes aus dem Jenseits zurückgeholt, stand Vanderborg wieder von den Toten auf, schleppte sich zu uns herüber und gemeinsam mit Friedrich stemmte er das Kreuz den rasenden Untoten entgegen.
    »Apage Satanas!«, schrie er dabei mit sich überschlagender Stimme. Die verdammten Seelen wichen wehklagend zurück und ich brach unter Krämpfen zitternd zusammen.

    Die Morgendämmerung war angebrochen, als ich die Augen aufschlug und in das besorgte Gesicht von Friedrich blickte, der sich über mich gebeugt hatte. Ich fühlte mich schwach und elend und sah nichts außer dem Pulsieren des Blutes in der Ader an seinem schönen Hals, bis ein zweites Gesicht neben dem seinen auftauchte. »Wer ist das?«, fragte ich orientierungslos.
    »Jaromir, weißt du nicht mehr, Estelle? Er schreibt für eine Warschauer Gazette … Er sah die Explosion, als er uns in der Nacht suchte. Er hat mir geholfen Vater und dich zu versorgen.«
    Friedrich stützte mich fürsorglich, sodass ich mich aufsetzen und den jungen Kerl betrachten konnte. Er war Pole aus Warschau und recht hübsch, allerdings mit irritierend flinken blauen Augen unter dem blonden, pomadiertenHaarschopf. Sofort machte er mir Avancen, die ich versuchte scherzhaft abzuwehren. Allein ich war selbst dazu bald zu schwach, und so fanden die Herren es zwingend notwendig, mich schnellstens in den Ort zu geleiten und mich dort einem Arzt vorzustellen.
    Erst gab Friedrich mir an einer Seite Halt, während Jaromir Irgendwer Vanderborg führte, der noch nicht wieder richtig bei Verstand zu sein schien. Aber als ich kaum noch Schritt vor Schritt setzen konnte und nur noch taumelnd vorwärtsstolperte, nahm Friedrich mich auf seine Arme und schleppte mich bis zum Gasthof. Der lag am
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