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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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verschwunden.
    Den ganzen nächsten Tag über waren Vanderborg und Friedrich damit beschäftigt, die Maschine auf den Friedhof zu fahren und einsatzfähig zu machen. Sie prüften den Generator und die riesigen mitgeführten Batterien und warfen sie unter den nun schon nicht mehr nur misstrauischen, sondern feindlichen Blicken der Dorfbewohner an. Ein junger polnischer Zeitungsschreiber namens Jaromir Irgendwer hatte Wind von der Sache bekommen und war aus Warschau angereist, um in einer aktuellen Reportage über Vanderborg und sein spektakuläres Experiment zu berichten. Es gefiel Vanderborg nicht, aber da man die Gazetten keinesfalls verärgern durfte, damit sie nicht schlecht über einen berichteten, erzählte er ihm gerade so viel, wie er verraten konnte, ohne den wirklichen Zweck der Maschine zu enthüllen. Er täuschte den jungen Mann auchüber den Zeitpunkt des Experimentes, und so waren nur Estelle, Friedrich und er vor Ort, als der Vollmond am Himmel aufstieg.
    »Es ist so weit«, sagte Vanderborg, und nun lag auch in seiner Stimme ein leichtes Vibrieren, das seine innere Anspannung verriet. Ein wenig besorgt sah er zum Himmel, denn es war ein glühheißer Tag gewesen und fernes Grollen kündigte ein Gewitter an.
    »Wollen wir nicht abbrechen, Vater?«, fragte Friedrich, als urplötzlich ein böiger Wind aufkam und dunkle Wolkenbänke über den Himmel jagte. »Es könnte uns das Gewitter dazwischenkommen.«
    Aber Vanderborg schüttelte den Kopf. »Zu spät, das System läuft bereits.« Er schwieg einen Moment und im Schein der um die Maschine herum aufgepflanzten Fackeln sah man, dass er über irgendetwas nachgrübelte.
    »Friedrich«, sagte er schließlich, »du hast Bedenken geäußert, dass unsere selbst erzeugte Energie nicht ausreichen könnte, ein Wesen von der Größe eines Menschen zu fangen. Mir ist soeben eine Idee gekommen. Was hältst du davon, wenn wir das Gewitter nutzen und ein paar Blitzen ihre Energie absaugen?«
    Friedrich sah den Vater bewundernd an, denn seine Idee war wie so oft genial. Die elektrische Energie eines Blitzes würde ein Tausendfaches an elektromagnetischen Strömen erzeugen können als Generator und Batterien zusammen. Das hieße, die Maschine würde ihre Wirkungskraft um ein Vielfaches potenzieren.
    »Aber wir wissen nicht, wie gefährlich so ein Blitz tatsächlich ist«, wandte er darum etwas beunruhigt ein. »Werden wir, wenn wir ihn anziehen wie mit einem Blitzableiter, seine Energie auch wirklich beherrschen können?«
    »Hilf mir«, erwiderte Vanderborg knapp. »Dann haben wir eine Chance.«
    Der Wind nahm zu und die Fackeln flackerten wild, und immer wieder verschwand der Mond hinter den Wolken, während die beiden Männer an der Maschine herumschraubten und -hämmerten. Nicht umsonst hatte Vanderborg Faraday , Franklin und Hertz studiert, nun musste es sich zeigen, was seine Studien für die Praxis taugten.
    Schlagartig war die Schwüle des Tages gewichen und Estelle fröstelte im scharfen Wind, mit dessen Aufkommen ein Temperatursturz einhergegangen war. Der Vater und Friedrich trugen Jacken aus Tuch, sie jedoch hatte nur ein dünnes Kleid an und lediglich ein Schultertuch, um sich gegen die Unbilden des Wetters zu schützen. Ihr war unbehaglich, nicht nur wegen der plötzlichen Kühle, sondern auch, weil sie die Idee, die Energie der Blitze für das Experiment zu nutzen, mit Sorge erfüllte. Zwar hatte sie im Varieté gesehen, wie der Große Pilati mit seiner Assistentin auf der Bühne von elektrischen Blitzen umtost in einem Metallkäfig ausgeharrt hatte und diesem schließlich auch unversehrt entstiegen war, aber das war eine gut vorbereitete und vielfach gesicherte Sache gewesen. Dies jetzt hingegen war ein Wagnis, das einem Drahtseilakt ohne Netz und doppeltem Boden glich.
    Die ersten Blitze zuckten am Himmel und das Grollen kam näher, und in immer kürzeren Abständen zu den Blitzen folgten die schließlich laut krachenden Donnerschläge, als Vanderborg enthusiastisch rief: »Heureka! Es ist so weit! So muss es funktionieren.«
    Er winkte Estelle heran: »Komm her, mein Kind. Du sollst die Glücksfee sein und den Hebel umlegen, der die Maschine in Gang setzt.«
    Zögernd ging Estelle hinüber, als ein weiterer Blitz vom nun gänzlich verdüsterten Himmel fuhr, dem ein dröhnender Donner unmittelbar folgte.
    »Rasch, rasch!«, trieb Vanderborg sie an. »Der nächste Blitz kann schon der unsere sein.«
    Estelles Hand zitterte, während der Vater sie nahm und
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