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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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Mädchen, das gerade in einem Hinterhof mit einem Strick seinem Dasein ein Ende bereiten wollte.
    Was für eine Verschwendung! So war ich ein wenig freundlich zu ihr, worauf sie mir erzählte, dass der Mann, dessen Kind sie unter dem Herzen trug, in Flandern gefallen sei, und als ich ihr den Todeskuss gab, empfing sie ihn in Dankbarkeit wie ein Geschenk, das sie von ihrem irdischen Leid erlöste.
    Als wir am nächsten Abend alle drei in der Kutsche zurück nach Blankensee fuhren, da war unsere Stimmung gelöst und optimistisch. Und wir besiegelten mit unserem Blut den Bund unserer Freundschaft und Liebe für alle Ewigkeit!

    A ber die kurze Zeit des Glücks, die uns gewährt wurde, war bald vorüber. Amadeus musste zurück nach Flandern an die Front und Friedrich hatte sich entschlossen mit ihm zu gehen, um, wie er sagte, für mich »auf ihn aufzupassen«.
    Ich wusste, dass er es ernst meinte, und in einem stillen Augenblick vor dem endgültigen Abschied nahm ich ihn zur Seite, um ihm meinen Dank zu sagen.
    »Bringt euch nur nicht in Gefahr«, gab ich ihm noch mit auf den Weg, worauf er lachte: »Das tun wir gewiss nicht! Wo immer an der Front ein Druckposten besetzt werden muss, werden wir uns melden. Sind wir als Vampire nicht ohnehin unverletzlich?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, im Ernst, Friedrich, auch als Vampire solltet ihr nicht leichtfertig sein! Wenn es euch wirklich in eine kämpfende Einheit verschlägt, denkterst an uns und euer Überleben für uns, bevor ihr an den Heldentod für Kaiser, Volk und Vaterland denkt. Niemand kennt die Vernichtungskraft der neuen Waffen. Geht auf keinen Fall ein Risiko ein.« Ich sah ihn bittend an. »Versprochen?«
    »Versprochen«, sagte er weiterhin lächelnd. »Dieser Krieg ist auch ohne unser Opfer bereits verloren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit und der verdammten Ehre, wann die oberste Heeresleitung und der Kaiser das Handtuch werfen werden.« Er küsste mich brüderlich. »Estelle, das Schicksal hat mich zu deinem Beschützer bestimmt und darum bin ich sicher, dass ich zu dir zurückkomme, wie immer auch dieser Krieg ausgehen mag.«
    Später gab er Amanda die Katze zurück. »Pass eine Weile auf sie auf, bis ich wieder da bin«, sagte er und es klang so beiläufig, als würde er nur einmal schnell auf ein Bier in die Kneipe an der Ecke gehen wollen. Was für ein Schauspieler er doch war, wenn es darum ging, Kummer von den Menschen fernzuhalten, die er liebte.
    Als ich diese letzte Nacht vor seiner Abreise mit Amadeus verbrachte, da erschrak ich über die Heftigkeit unserer Gefühle, und auch als wir erschöpft auf dem Bett etwas Ruhe zu finden versuchten, konnten wir die Blicke nicht voneinander wenden, so begierig waren sie, jedes kleinste Detail vom jeweils anderen aufzunehmen, jede Regung im Gesicht aufzusaugen, ja förmlich in das Gedächtnis einzubrennen, um es jederzeit abrufen zu können, in den langen Stunden der vor uns liegenden Trennung und Einsamkeit.
    Und weil Amadeus nun ganz auf der dunklen Seite und damit endlich vollkommen bei mir angekommen war, sagte er zärtlich: »Nun wird unsere Liebe ewig sein und nie vergehen.«
    »Das sagst du, der das Nie niemals in den Mund nehmen wollte?«
    Er lachte leise und kehlig. »Ich weiß, nun aber muss es sein, denn es ist wahr.«
    Wir küssten uns, und einander ganz umfangend atmeten wir im gleichen Rhythmus, der schließlich auch unseren Herzschlag ergriff, bis wir ein Körper waren, ein Atem, ein Herz. Ach, könnten wir doch wie die Kraniche von diesem Leben in ein anderes fliegen, wo kein Krieg uns auseinanderreißen würde, kein Trommelfeuer dröhnte und keine Geschütze donnerten, wo es für uns einen Ort gab, der still war und an dem Frieden herrschte!
    Nachdem Amadeus noch am Abend zuvor mehr als je geredet hatte, um den Schmerz der bevorstehenden Trennung mit Eloquenz zu überspielen, waren ihm nun die Worte ausgegangen.
    Ein schweres, dumpfes Schweigen, das auf der Seele lastete, hing zwischen uns im Raum.
    Und als der Morgen dämmerte war ich es, die es brach.
    »Wenn ich nur könnte, so würde ich mein Herz aus meiner Brust reißen, damit du es mit dir nähmest in den Krieg. Damit es bei dir wäre, in jeder Schlacht, in jedem Schützengraben und dir die Kraft gäbe zu überleben.«
    »Ich weiß«, sagte Amadeus, »aber so ein Gewaltakt ist nicht nötig. So sicher wie mein Herz bei dir bleibt, so nehme ich das deine mit.«
    Das klang optimistisch, doch als er sich mit Friedrich in den Sattel
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