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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kramte bei diesen grauenhaften Frauenmorden aus den Schubkästen seines Gehirns eine Meldung aus dem Jahre 1946 hervor – also aus der Zeit kurz nach Kriegsende, als man unter Trümmern und in feuchten Kellern lebte, zwischen den Ruinen hockte und alten Mörtel von Ziegelsteinen abklopfte, um mit ihnen wieder aufzubauen, aus der Zeit, als in der Nacht schon lange Menschenschlangen sich vor den Bäckereien bildeten, um morgens um sieben einhundert Gramm Maisbrot zu ergattern, auf Hockern saßen sie da, auf Stühlchen, schichtweise, zuerst begann die Oma, dann löste Opa ab, schließlich kam die Frau, aber erst zum Schluß, kurz vor sieben, denn Oma und Opa hatten mehr Zeit, brauchten weniger Schlaf und hatten auch keine kleinen Kinder mehr … in diesem Jahr 1946, als das Gefühl, etwas im Magen zu haben und den Darm nicht vertrocknen zu lassen, wichtiger war, als eine kleine Zeitungsmeldung, die man heute, im satten Zeitalter, aufwalzen würde zu einem mehrspaltigen Sensationsbericht, erfuhren die abgemagerten, hohläugigen und bleichen Leser, daß ein Mann namens Heribert Poschalski in ein Irrenhaus eingeliefert worden war, weil er Hündinnen einfing, sie mit einem Fleischermesser abstach, ihnen die Brüste und die Vaginen herausschnitt und sie dann auf einem Holzfeuerchen briet. Ein von der britischen Besatzungskommandantur eingesetztes Gericht machte kurzen Prozeß mit dem Heribert Poschalski aus Ratibor in Oberschlesien, erklärte ihn für verrückt und steckte ihn in die Anstalt Hohenludberg. Dort ging Poschalski 1947 verloren. Als Harmloser, der nur Hündinnen geschlachtet hatte, durfte er in der Gärtnerei arbeiten, zog auf die Felder, brachte die Ernte ein, war ein fleißiger, höflicher, hilfsbereiter, etwas einfältiger Mensch, putzte die Anstaltskirche, wienerte die Kerzenhalter, nähte fehlende Knöpfe an des Pfarrers Rock, betete inbrünstig und onanierte ab und zu, was andere in der Anstalt Hohenludberg auch taten. Alles in allem … er war ein gutmütiger Mensch. Es gab Verrücktere als ihn.
    Aber plötzlich, eines Abends beim Appell der Gartengehilfen vor dem Abmarsch zur Anstalt, war Heribert Poschalski weg. Einfach weg. Man rief im Chor, suchte die Gegend ab, benachrichtigte die Zeitungen, die einen Dreizeiler irgendwo ganz unten für Poschalski freimachten … aber niemand hatte ihn gesehen.
    Die kirchlichen Aufgaben in der Anstalt, vor allem das Putzen der Kerzenleuchter, übernahm ein Epileptiker.
    An diesen Heribert, den Hündinnentöter, erinnerte sich Fritz Abels, als er den Frauenmörder suchte. Und siehe da … er fand ihn nach einer Fernsehaktion. »Die Kriminalpolizei bittet um Ihre Mithilfe …« Poschalski lebte in Wummenei, einem winzigen Dorf an der Nordseeküste, war Inhaber einer Aalräucherei, fuhr einen Mercedes (mußte also die Führerscheinprüfung überstanden haben) und sagte zu Abels, der in das kleine, nach Räucherfisch stinkende Fachwerkhaus trat: »Nun haste mir doch. Ja, ick ha se alle jeschlitzt …« Dann hielt er seine Handgelenke hin, aber Abels winkte nur ab und meinte:
    »Komm, Heribert, Mach's nicht so dramatisch. So schnell wie damals kannste sowieso nicht mehr laufen …«
    Heute putzt Poschalski in irgendeinem Zuchthaus als Lebenslänglicher wieder die Kerzenleuchter. Außerdem darf er jeden Sonntag die Gesangbücher auf die Bänke verteilen.
    Man mag das einen Zufall nennen – nicht Poschalskis Zuchthausarbeit, sondern die Festnahme durch Abels –, und sicherlich war es das auch, denn nicht immer laufen Mörder herum, die früher Hündinnen aufgeschlitzt haben, aber dem Ruhm des Kriminalkommissars Abels tat das keinen Abbruch. Als Oberkommissar kam er an das Bundeskriminalamt, gewissermaßen als Pendant zu dem neu aufgestellten Computer. Denn der Computer irrte sich öfters, Fritz Abels nie. Er wurde Leiter der Dokumentationszentrale für ungeklärte Kapitalfälle.
    »Das ist wirklich verrückt!« sagte er jetzt und schlug elegant die Beine übereinander. In den letzten zwei Jahren war er sehr elegant geworden. Das hing damit zusammen, daß er seit drei Jahren Witwer war und seit zwei Jahren eine junge, blonde Chemikerin im Labor arbeitete. Miß Bundeskriminalamt. Abels hatte noch nie so viele chemische Analysen nötig wie in den letzten beiden Jahren; man munkelte, daß er eigens einen Trupp von vier Mann in der Welt herumschickte, um interessante Asservate zu sammeln, die man chemisch untersuchen mußte. Meistens waren es wenig attraktive Analysen, die er
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