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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien
Autoren: Tereza Vanek
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Kreuzzug öffentlich für »Handlungen wider die Natur« Buße getan haben. Vor seiner Heirat mit Berengaria von Navarra ermahnte ein Priester ihn, in Zukunft von »der Sünde der Sodomie« Abstand zu nehmen. Manche Historiker halten es daher für so gut wie sicher, dass er Männer liebte, andere hingegen werten diese Aussagen als nicht eindeutig genug ab und zitieren eifrig Quellen, in denen Richard sich mit Frauen vergnügt. Er hatte auf jeden Fall auch sexuelle Kontakte mit Frauen und hinterließ einen anerkannten unehelichen Sohn. Dennoch fällt an seiner Biografie ein Umstand auf, der die Vermutung von Homosexualität erst möglich machte: Anders als bei seinem Vater wird in keiner Quelle eine Geliebte erwähnt, die in seinem Leben eine wichtige Rolle spielte. Seine Gemahlin Berengaria suchte er nur selten auf und sie hatten keine Kinder. Richard liebte es, mit seinen Männern in den Krieg zu ziehen, wollte weder bei seiner Krönungsfeier noch bei dem Kreuzzug Frauen um sich haben. Nur seine Mutter Aliénor und seine Amme, die er reich beschenkte, scheinen ihm wirklich nahegestanden zu haben. Ich halte es daher für durchaus möglich, dass er sich stärker zu Männern hingezogen fühlte. Wie sehr er eine homosexuelle Neigung, die damals als schwere Sünde galt, auch auslebte, sei dahingestellt. Die Geschichte mit Meir habe ich frei erfunden, doch kam es bei Richards Krönung tatsächlich zu einer Judenverfolgung, die durch seine Reaktion auf ungebeten eintretende jüdische Gäste ausgelöst worden sein soll.
    Nun zu Aliénor, der berühmten Herzogin von Aquitanien.
Sie wird manchmal die große Dame des Hochmittelalters genannt. Als Erbin eines sehr reichen Fürstentums hatte sie eine privilegierte Stellung, von der andere Frauen ihrer Zeit nur träumen konnten. Hinzu kamen ein sehr attraktives Äußeres und ein scharfer Verstand. Es ist nicht erstaunlich, dass sie zu keinem bescheidenen, fügsamen Mädchen heranwuchs. Bereits zu ihren Lebzeiten waren die Aussagen über sie sehr widersprüchlich: Sie galt als edle Schönheit, aber auch als Hure. Ihre erste Ehe mit dem französischen König Louis verlief nicht zum Besten, und Aliénor sorgte für etliche Skandale wegen vermeintlicher Liebhaber, doch können das bloße Verleumdungen sein. Männer hatten das ungeschriebene Recht, sich Mätressen zu halten, Frauen hingegen wurden für Ehebruch verurteilt. Der eigentliche Grund für die Annullierung der Ehe dürfte der Umstand gewesen sein, dass Aliénor keinen Thronfolger zur Welt gebracht hatte. Später vermählte sie sich mit Henri und wurde zu einer durchaus akzeptablen Gemahlin, die Söhne gebar und sich ihrer Rolle entsprechend verhielt. Dann, ungefähr 1166 oder vielleicht auch schon früher, trat Rosamond de Clifford in Henris Leben. Aliénor zog sich nach Aquitanien zurück, um nun vor allem als Mutter ihrer Söhne zu agieren. Richard wird erstmals als ihr Favorit erwähnt. Dabei schien die Trennung des königlichen Paares zunächst eine friedliche Übereinkunft zu sein, aber Aliénors Hof in Poitiers entwickelte sich zum Zentrum des Aufruhrs gegen den mächtigen König. Die genauen Hintergründe der Revolte sind nicht überliefert, doch Henri ging selbst davon aus, dass Aliénor dabei die treibende Kraft gewesen sein musste.
    Die Motive ihrer Söhne und der anderen Aufständischen sind offensichtlich. Aber was veranlasste Aliénor, sich gegen einen Gemahl aufzulehnen, mit dem sie fast zwanzig Jahre lang scheinbar gut ausgekommen war? Die naheliegende
Antwort wäre Eifersucht, doch sind Historiker hier skeptisch geworden. Die Herzogin lebte zu einer Zeit, da männliche Untreue als völlig normal galt. Henri hatte vor Rosamond bereits andere Mätressen gehabt, die sie den Erwartungen entsprechend tolerierte. Ihr Rückzug nach Aquitanien kann auch als vernünftige Reaktion auf ihr Alter betrachtet werden. Sie war Mitte vierzig und vermutlich in den Wechseljahren. Für einen elf Jahre jüngeren Gemahl wurde sie endgültig uninteressant, da sie keine weiteren Nachkommen mehr gebären konnte. Aliénor beschloss daher, sich für ihre Söhne einzusetzen, die sie auch als alte Frau noch würde beeinflussen können. Es ist möglich, dass sie die Unabhängigkeit Aquitaniens wahren wollte oder Angst hatte, Henri würde sich von ihr scheiden lassen. Ich habe alle potenziellen Beweggründe in meinen Roman einfließen lassen, um ein ausgewogenes Bild zu schaffen. Aliénor wurde nach der Niederschlagung des Aufstands zu
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