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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam
Autoren: Georg R. Kristan
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Aufenthalts hinwies.
    Auf dem Rhein tuckerten schwerbeladene Frachtschiffe stromaufwärts. Andere fuhren, hoch aus dem Wasser ragend und von ihrer Ladung befreit, nach Norden, um in Duisburg oder Rotterdam wieder vollgestaut zu werden. Die rot-weiß-blauen Fahnen am Heckmast ließen erkennen, daß der vielbesungene deutsche Rhein in Wirklichkeit als Wasserstraße den Niederländern gehörte.
    Positiv eingestimmt traf die Reisegruppe schließlich im Hotel Topas ein, wo nur wenig Zeit blieb, sich für die Operngala frisch zu machen. Beate Randolf hatte bei den Munskaus volles Verständnis dafür gefunden, daß sie von den Annehmlichkeiten des kostenlosen Hotelaufenthalts Gebrauch machen und am Programm der Gruppe teilnehmen wollte. Zum Abendessen am Sonnabend, bei dem auch Bernd Kalisch anwesend sein würde, wollte sie rechtzeitig in der Adenauerallee erscheinen.
    Beate konnte sich schon in der Hotelhalle davon überzeugen, daß Silke Marino einen der attraktivsten Männer der Reisegruppe mit ihrem immer funktionierenden Charme für sich gewonnen hatte.
     
     
    »Der Freischütz« am Abend und die Fahrt mit der »Beethoven« nach Koblenz am nächsten Tag waren eindrucksvolle Veranstaltungen. Mochte das Essen an Bord auch noch so gut sein, niemand vom Bonn-Zirkel blieb unter Deck, als das Rheinpanorama vorbeiglitt. Fotoapparate traten in Aktion, Karten wurden entfaltet, und man überbot sich darin, die markanten Punkte am Ufer zu benennen. Da versuchte man, die Namen der sieben Berge zusammenzubekommen, den Drachenfels und die Drachenburg auseinanderzuhalten und sich das Lied vom Rolandsbogen in die Erinnerung zurückzurufen. Einige wußten sogar, daß Adenauer in Rhöndorf gelebt hatte.
    Immer noch standen die schwarz-braun gealterten Pfeiler der Brücke von Remagen, die eine so kriegsentscheidende Bedeutung erlangt hatte, in den Überschwemmungswiesen des Flusses, und schließlich flatterten am Deutschen Eck in Koblenz die Fahnen der sechzehn Bundesländer im europäischen Wind.
    Wie weggewischt waren die starken Eindrücke des Tages, als Beate Randolf sich am Abend mit dem Taxi zur Adenauerallee bringen ließ, um den Mann wiederzusehen, den sie als Botschafterin der Liebe für den kalten Krieg gewonnen hatte. Er war der Mann, dem sie gegen alle Vernunft verfallen war und den sie hatte aufgeben müssen, weil sie nicht stark genug gewesen war, ihr Leben für das Leben zu riskieren. In all den Jahren der Indoktrination und nicht zuletzt durch die Privilegien im MfS hatte sie keine Möglichkeit gesehen, sich gegen die Unmenschlichkeit des Systems aufzulehnen. Und sie wußte, daß sie dadurch an sich selbst und an dem Mann schuldig geworden war. Wie ein Schleier lag diese Erkenntnis über allem, was sie dachte und tat. Jetzt hatte sie Angst davor, daß dieser Schleier durch das Zusammentreffen mit Bernd Kalisch zerrissen wurde.
    Die Wohnung von Ellen und Stefan Munskau lag über dem Immobilienbüro und umfaßte die oberen Etagen eines schmalen Hauses. Es wurde rechts und links von Altbauten flankiert, die in der Hauptstadtzeit Bonns nicht gerade mit gestalterischer Kraft vorwiegend für Lobbyisten modernisiert worden waren. Parkraum gab es vor den Häusern genausowenig wie Vorgärten; dafür häßliche Betonpoller, die das Abstellen der Autos auf den Gehwegen verhindern sollten.
    Die Taxifahrer waren darin geübt, im Halteverbot zu stoppen, den Fahrpreis zu kassieren und den Fahrgast schnell aus dem Wagen zu komplimentieren. Für einen Gepäckdienst blieb meistens keine Zeit.
    Beate Randolf hatte erwartet, von den Gastgebern empfangen zu werden. Doch als sich nach mehrmaligem Klingeln die Tür öffnete, stand sie Bernd Kalisch gegenüber. Schreck und Freude raubten ihr einen Augenblick den Atem; wie gebannt sah sie ihn an. Schlank war er geblieben; das leicht gebräunte Gesicht unter dem dunklen Haar, das ein paar graue Strähnen bekommen hatte, wirkte hagerer, als sie es in Erinnerung hatte. Dafür strahlten seine braunen Augen wie früher, und sein Lächeln ließ alle Unsicherheit verfliegen. Er sagte nichts, streckte nur die Arme aus, und ohne ein Wort zu sagen, ließ sie sich hineinfallen. Sie genoß das vertraute Gefühl, und ihr Körper antwortete auf seine Nähe mit einem Verlangen, das sie vergessen geglaubt hatte. In diesem Moment hätte sie sich mit ihm auf das nächste Lager fallen lassen. Aber Bernd hielt sie fest; seine Arme waren wie Klammern, und er schloß ihren Mund mit einem Kuß, der alles fortwischte,
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