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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam
Autoren: Georg R. Kristan
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wiedergesehen – und es war alles wie früher.« Bernd Kalisch lächelte. »Mit ihrem Mann, Oberst Randolf, hatte ich schon einige Wochen zuvor unerbetenen Kontakt; davon habe ich ihr nichts erzählt. Er hat versucht, mich für eine neue Mitarbeit beim KGB zu gewinnen. Er hat seine Tätigkeit als Verbindungsoffizier zu den Bruderländern nie aufgegeben. Ich habe sein Ansinnen abgelehnt – aber er ließ mir keine Ruhe.«
    »Dann hat er Sie zum Bismarckturm bestellt?« fragte der Kommissar.
    »Ja, bei ihm gehörte das Indianerspiel einfach zur Konspiration. – Das Treffen sollte die entscheidende Aussprache werden.«
    »Haben Sie die Makarow mitgenommen, um ihn zu erschießen?«
    »Ich hatte nicht die Absicht, ihn zu töten. Die Waffe hatte ich nur zur Vorsicht mitgenommen – ich wußte ja nicht, was auf mich zukam.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Randolf hat mir – ich darf es vielleicht so sagen – ›die Pistole auf die Brust gesetzt‹, ohne allerdings eine Waffe in der Hand zu haben. Er hat kaltblütig versucht, mich zu erpressen: entweder meine Mitarbeit für den sowjetischen Geheimdienst oder eine Anzeige bei der Bundesanwaltschaft.«
    Freiberg sah verständnislos auf. »Sie hätten das doch nur zu melden brauchen; schließlich haben Sie sich rechtzeitig abgesetzt. Unsere Verfassungshüter waren doch informiert und haben ihre schützende Hand über Sie gehalten. Sie haben ja auch durch die Kölner den Job bei der Sondertronic KG in Bonn erhalten. Wie konnten Sie da erpreßbar sein?«
    Bernd Kalisch schwieg. Wie verloren saß er am Tisch und griff zögernd nach Beates Hand. »Ich habe noch nicht alles gesagt – noch kennen Sie nicht die ganze Wahrheit.«
    »Herr Kalisch«, sagte Freiberg, »niemand zwingt Sie auszusagen. Die Beschuldigtenbelehrung gilt auch für Sie. Wollen Sie sich erst mit einem Anwalt beraten?«
    »Nicht nötig; ich weiß, daß ich verloren habe, und will gar nicht erst versuchen, mit juristischen Tricks den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.«
    »Bernd, was soll das?« fragte Beate Randolf. Angst klang aus ihrer Stimme.
    »Die Wahrheit ist«, stieß er hervor, »daß meine Flucht aus der Vertretung der DDR in die Arme des Verfassungsschutzes das größte Täuschungsmanöver der letzten Jahre im Kampf der Geheimdienste war. Damit das neue Netz für die elektronische Aufklärung sozusagen unter den Augen des Bundesamtes fertiggestellt werden konnte, wurde mein Übertritt inszeniert. Ich habe nur ›gestorbene‹ Geheimsachen mitgenommen und über veraltete Techniken berichtet. Jetzt war ich wirklich ein Offizier im besonderen Einsatz, ein untergetauchter OibE, von denen es noch viele gibt. Durch meinen Job bei der Sondertronic konnte ich auf der Gegenseite erkennen, wie gut der elektronische Lauschposten funktionierte. Oberst Randolf war einer der wenigen beim MfS, der das Geheimnis kannte. Er hatte also genug in der Hand, um mich für den Rest meines Lebens fertigzumachen – wie er mir beim Gespräch am Bismarckturm ins Gesicht geschleudert hat. Da habe ich nicht mehr nachgedacht; ich habe die Waffe gezogen und abgedrückt. – So, jetzt kennen Sie die ganze Wahrheit.« Kalisch lehnte sich erschöpft zurück.
    Es war totenstill in Zimmer 306 – erst nach und nach nahmen die Anwesenden die Geräusche von der Straße und aus dem Haus wahr.
    Beate Randolf brach als erste das Schweigen. »O Bernd – warum hast du das getan? Als ich ihn damals töten wollte, hast du gesagt: ›Er ist es nicht wert, daß wir seinetwegen unsere Zukunft zerstören.‹ Jetzt hat er es doch geschafft. Ich hasse ihn dafür. Aber wir gehören zusammen, was immer auch geschieht.«
    »Herr Kalisch, es tut mir leid, aber es muß sein: Sie sind vorläufig festgenommen«, sagte der Kommissar ruhig. Er gab Lupus und Fräulein Kuhnert ein Zeichen und wartete, bis sie den Raum verlassen hatten. Dann fügte er hinzu: »Sie haben noch ein paar Minuten Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Ich bin im Vorzimmer.«
    Schweigend erwarteten ihn dort seine Mitarbeiter. Freiberg schloß leise die Tür. Er sah an ihnen vorbei, als er bedrückt sagte: »Die Lösung dieses Falles hätte ich mir anders gewünscht. Wer ist hier Täter, wer ist Opfer? – So, Freunde, und jetzt brauche ich eine Leitung nach Potsdam.«
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