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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam
Autoren: Georg R. Kristan
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die Randolf können von dem Mord gewußt haben oder sogar Mittäter sein. Lupus und ich haben Hartensteins Zweitwohnung in der Siemensstraße durchsucht. Wir haben zwar belastendes Material gefunden, aber der letzte Beweis, daß er auch den Mord am Bismarckturm begangen hat, steht noch aus; trotzdem – eigentlich kann nur er Valentin Randolf erschossen haben.«
    Sabine hob abwehrend die Hände. »Komm laß sein, Waldi! Für mich ist das Chinesisch und ohne erkennbaren Zusammenhang. Mich interessiert nur, welche Rolle die Marino gespielt hat – von wegen Frauenschicksal und so.«
    Freiberg nahm einen großen Schluck und setzte langsam das Glas ab. »Silke Marino hat gleich mehrere Rollen gespielt: Erst war sie Lockvogel für das MfS, dann freischaffende Künstlerin und schließlich Informantin für die CIA – aber eine tote NibE singt nicht mehr.«
    Sabine sah ihn mißbilligend an. »Hast du in Potsdam eine spezielle Geheimsprache gelernt? Was heißt das?«
    Walter nahm noch einen kräftigen Schluck und spülte damit den letzten Bissen Brot hinunter. »Das war, wenn du so willst, ein Ehrentitel für die frauenspezifische Verwendung von inoffiziellen Mitarbeiterinnen des Ministeriums für Staatssicherheit und damit den OibE, also den Offizieren im besonderen Einsatz, nachempfunden. Silke Marino war im MfS-Jargon eine besonders qualifizierte NibE – eine Nutte im besonderen Einsatz.«
    Sabine schüttelte verwundert den Kopf. »Solltest du das alles in der kurzen Zeit von Angelika Lette gelernt haben? Hat sie dir vielleicht noch mehr beigebracht?«
    »Die hat was zu bieten, stramme Beine und so. Die Starke zu stemmen, kostet ganz schön Kraft, sage ich dir.«
    Sabine zischte: »Gerade vierundzwanzig Stunden weg vom heimischen Herd und schon solche Ergebnisse. Was erwartest du nun von mir? Soll ich auf deine Erklärung hoffen; soll ich mir sagen: Schwamm drüber, oder soll ich wutentbrannt dir und deiner vergitterten Behausung den Rücken kehren? Also, was ist?«
    Energisch stemmte sie die Hände in die Hüften, so daß die Bluse ihren Zweck als Kleidungsstück endgültig verfehlte.
    »Und die Starke kann zupacken«, stichelte er weiter.
    »Du Schuft! Dienstreise als Lustreise; das sollte dein Präsident mal hören. Will mein Sensibelchen mir nun auch noch weismachen, daß seine Müdigkeit wieder mal als Leichensyndrom daherkommt?«
    Walter Freiberg setzte sich neben Sabine und zog sie an sich. »Das waren alles dienstliche Notwendigkeiten. Wir mußten bei der Villa am Griebnitzsee über den Zaun klettern. Dabei habe ich für Angelika den Steigbügelhalter gemacht. Die ist wirklich kein leichtes Mädchen! Ahrens stand daneben und hat mit der Pistole gesichert. So also stellt sich das Balzen deines Waldis dar.«
    Sabine zog die Kordel seines Bademantels auf. »Du bist mir ja ein sauberer Schutzmann. Komm!«
    »Den Brandfleck muß ich mir mal genauer ansehen«, sagte der Commissarius und schob ihr die Bluse von der Schulter. Doch zur Betrachtung des Corpus delicti fand er keine Zeit mehr. Seine studentische Hilfskraft bewies ihm, daß auch sie die Kunst beherrschte, richtig zuzupacken.

 
    24
     
     
     
    Kommissar Freiberg hatte gleich nach dem Eintreffen im Präsidium seine Kollegin in Potsdam angerufen und sich die Ereignisse am Jungfernsee ausführlich schildern lassen; die Grüße von Sabine hatte er auch übermittelt. Ob sein Glückwunsch zur Erledigung des Falls Marino-Hartenstein aus vollem Herzen kam, wußte er selbst nicht. Aber er konnte mit den Erkenntnissen aus der Durchsuchung von Hartensteins Zweitwohnung zur Aufhellung der Hintergründe des Falls in Potsdam beitragen. Danach gab es keinen begründe ten Zweifel mehr, daß auch Hartenstein mit Silke Marino ein Sexverhältnis gehabt hatte und daß sie sterben mußte, weil sie ihre Kenntnisse über die Aktivitäten einiger Ehemaliger des MfS beim Aufbau neuer Spionagezentren an den amerikanischen Geheimdienst weitergegeben hatte. Enttäuscht wurde Freibergs Hoffnung auf ein paar weiterführende Hinweise zur Verknüpfung der Mordfälle in Potsdam und Bonn.
    »Die Durchsuchung von Hartensteins Koffer hat nichts erbracht, und im Distel-Club war die Mauer des Schweigens nicht zu durchdringen; jeder scheint froh zu sein, daß sich Hartenstein erschossen hat und nicht mehr reden kann«, faßte Angelika Lette ihre Erkenntnisse zusammen. Dann hatte sie noch das Verständnis ihres Chefs für den plötzlichen Aufbruch Freibergs nach Bonn übermittelt; dabei war die
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