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0059 - Hexenverbrennung

0059 - Hexenverbrennung

Titel: 0059 - Hexenverbrennung
Autoren: Richard Wunderer
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Wenn man vor das kleine, verwahrloste Haus an der Themse trat, konnte man eben noch die Spitzen der Tower Bridge und die Zinnen der höchsten Türme des Towers sehen. Ansonsten ahnte man nicht, daß man sich inmitten einer Millionenstadt befand.
    Das Grundstück war ringsum von einer mannshohen Hecke umgeben. Im Laufe von Jahrzehnten waren die stacheligen Büsche so miteinander verwachsen, daß sie eine undurchdringliche Mauer bildeten. Die Hecke hielt alle ungebetenen Besucher fern. Es gab aber niemanden, der sich für dieses Grundstück und das dazugehörige alte Haus interessierte. In der Nachbarschaft lagen die riesigen Dockanlagen. Und die Leute, die in Sichtweite wohnten, mieden das gespenstisch anmutende Haus.
    Sie nannten es das ›Hexenhaus an der Themse‹.
    Sie ahnen gar nicht, wie recht sie hatten! Es diente wirklich Hexen als Unterschlupf. Mächtige alte Bäume schirmten das Tageslicht ab. Unter den entblätterten Kronen der Laubbäume und den Zweigen der riesigen schwarzen Tannen herrschte immer Dämmerlicht.
    Normalerweise kamen die Hexen in der Dunkelheit hierher, um ihre Beschwörungen durchzuführen. An diesem zehnten Dezember machten sie eine Ausnahme. Es war so dringend, daß sie die Mitternacht nicht erwarten konnten.
    Drei Frauen näherten sich aus verschiedenen Richtungen dem Garten, schlüpften durch die Pforte, hinter der ein Bluthund wachte, und verschwanden in dem Haus, das aussah, als würde es jeden Moment in sich zusammenstürzen.
    Die Satansdienerinnen hatten jedoch keine Angst. Sie wußten, daß sie von ihrem höllischen Herrn beschützt wurden, solange sie sich in den Mauern seines Ruhmestempels aufhielten. Zu wichtig war für Satan dieser Stützpunkt inmitten von London, als daß er ihn hätte verfallen lassen.
    Die drei Frauen sprachen nicht miteinander, als sie sich im ehemaligen Wohnzimmer auf den Boden setzten. Sie faßten einander an den Händen und schlossen die Augen.
    Im ganzen Haus gab es kein einziges Möbelstück. Überall lag fingerdick der Staub. Im krassen Gegensatz dazu stand der kostbare Teppich, der den Wohnzimmerboden bedeckte. Aus feinster Seide spielte er in allen Farben. Symbole der Schwarzen Magie waren vor undenklichen Zeiten in den Untergrund gestickt worden. Sie besaßen noch heute ihre Kraft, die durch die Beschwörungsgesänge der drei Hexen sogar verstärkt wurde.
    Mit geschlossenen Augen konzentrierten sich die Frauen auf ihr Ziel. Alle ihre Wünsche richteten sich auf Mara Lacatte. Sie wollten sehen, wo sie sich im Moment aufhielt.
    Die finsteren Geister der Dämonenwelt kamen ihnen zu Hilfe. Vor den geistigen Augen der Hexen entstand das Abbild eines nüchtern eingerichteten Büros. Sie entdeckten Mara Lacatte vor dem Schreibtisch, und sie erkannten den großen, blonden, blauäugigen Mann hinter dem Tisch.
    »John Sinclair!« schrien die Hexen wie aus einem Mund haßerfüllt auf. »Verflucht seist du, John Sinclair! Das Böse möge über dich kommen und dich hinwegfegen!«
    Der Boden erzitterte, als die drei Hexen in wilde Verwünschungen ausbrachen und ihre magische Macht gegen das Büro von Scotland Yard schleuderten, in dem sich John Sinclair, der Geisterjäger, und Mara Lacatte aufhielten.
    ***
    Schlagartig war der Bann erloschen, in den mich Mara Lacatte geschlagen hatte.
    Auch die Raumtemperatur sank wieder auf das normale Maß, sofern ich mir nicht nur diese drückende Schwüle eingebildet hatte.
    Ich spürte die Gefahr. Seit Jahren kämpfte ich gegen das Böse und seine Auswüchse. Und das Böse bekämpfte mich in jeder nur erdenklichen Gestalt. Wieso nicht auch in einer so schönen, betörenden Gestalt wie der Mara Lacattes?
    Ihr Lächeln vertiefte sich noch mehr. Ihre blauen Augen waren wie klare Bergseen und strahlten mir lockend entgegen.
    »John Sinclair, Sie müssen mir helfen«, flüsterte sie. »Sie müssen! Sonst bin ich verloren!«
    Mein Spezialkoffer mit den Waffen gegen das Böse stand im Schrank. An ihn kam ich nicht schnell heran. Aber meine Beretta, mit geweihten Silberkugeln geladen, steckte im Schulterhalfter. Und um den Hals trug ich mein Silberkreuz mit den Symbolen des Guten. So leicht konnte mir nichts passieren.
    Ich überwand die erste Verblüffung und lehnte mich zurück. Dabei spielte ich den Entspannten, war jedoch voll konzentriert. Sie sollte kein leichtes Spiel mit mir haben, wenn sie etwas plante.
    »Das müssen Sie mir schon genauer erklären, Miß Lacatte«, erwiderte ich und sprach sie absichtlich nicht mit ihrem
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