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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam
Autoren: Georg R. Kristan
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erklärte dann fast beiläufig: »Beate Randolf ist am Wochenende in Bonn.«
    »Das ist in der Tat eine Überraschung«, krächzte es aus der Hörmuschel. »Es hieß doch, sie sei mit ihrem Genossen Oberst untergetaucht. Wo habt ihr sie denn aufgetrieben?«
    Es rauschte in der Leitung. »Hallo, Bernd, bist du noch da?«
    »Ja, jetzt höre ich dich wieder. – Langeweile und schlechte Telefonverbindungen, das ist fast unerträglich. Also, wie ist das gelaufen?«
    »Ganz einfach«, erläuterte Stefan Munskau. »Beate hat uns angerufen und uns den Tip für ein Grundstücksgeschäft in Neu-Babelsberg gegeben. Wir haben sie vor ein paar Tagen besucht. Sie ist charmant wie immer – eine Klassefrau. Genosse Oberst ist unter die Spediteure gegangen und schafft Computer nach Moskau – sagt sie jedenfalls.«
    »Demnach haben sich die beiden nicht abgesetzt?« fragte Kalisch überrascht.
    »Nein, sie wohnen in Babelsberg; ihr gehört ein Superhaus am Griebnitzsee. Außerdem arbeitet sie als Fremdenführerin. Die Ehe ist aber wohl nur eine Versorgungsinstitution.«
    »Das ist ja ein tolles Stück. Also, dein Anruf war goldrichtig. Natürlich werde ich in Bonn sein, um meine ehemalige Bettgenossin wiederzusehen. Am Sonntag habe ich allerdings unaufschiebbare Termine.«
    »Auf alle Fälle bist du am Samstag bei uns zum Abendessen, ja? Wir haben noch Hartenstein und seine Quasifrau eingeladen.«
    »Klar, ich komme geflogen. Grüß deine Frau, und tu ihr was Gutes, wenn ich euch gestört haben sollte. – Bye.«
    Ellen war inzwischen wach geworden. »Was ist?«
    »Bernd Kalisch aus Arendal; er kommt am Samstag, und ich soll dir was Gutes tun.«
    »Nix da – geschlafen wird. Um Mitternacht Ratschläge aus dem kühlen Norwegen; so weit kommt’s noch.«

 
    3
     
     
     
    Im Reisebus hatte sich eine heitere Gesellschaft zusammengefunden. Die Mitglieder des Bonn-Zirkels aus der Partnerstadt Potsdam freuten sich auf ein Wochenende am Rhein. Diesmal ging es nicht um kommunale Angelegenheiten mit trockenen Vorträgen und kargen Häppchen aus der Kantine. Kultur stand auf dem Programm. Theaterbesuch am Freitag, Werkstattgespräch, ein Empfang im Rathaus und das war die Hauptattraktion – eine Bötchenfahrt mit Musik und Bewirtung auf der »Beethoven« stromaufwärts bis Koblenz am Samstag. Gesponsert wurde das Unternehmen von einer Verlagsbuchhandlung, die einen Reiseführer durch das Land Brandenburg herausgegeben hatte und so ihr Œuvre werbewirksam herausstellen konnte.
    Um einen der begehrten Fensterplätze auf der rechten Seite zu bekommen, hatte sich Beate Randolf mit einer Taxe zur Henning-von-Tresckow-Straße bringen lassen, von wo die Busreise ihren Ausgang nahm. Hier lag, den meisten kaum noch bekannt, die Stammkaserne des Infanterieregiments Nr. 9, in dem zahlreiche Verschwörer des 20. Juli gedient hatten. Dem Namensgeber der Straße war nichts anderes übriggeblieben, als sich eine Kugel in den Kopf zu schießen, nachdem das Attentat auf den größten Feldherrn aller Zeiten gescheitert war und die Gestapo gnadenlos Jagd auf die Verschwörer machte.
    Der Heiterkeit der Reisegruppe tat der Geschichte gewordene Vorgang keinen Abbruch. Als der Bus mit gedämpften Schwingungen über das Kopfsteinpflaster der Bundesstraße 2 nach Süden rollte, stimmten die im rückwärtigen Teil sitzenden Sangesbrüder der Eintracht die über Jahrzehnte aus dem Repertoire verbannte »Märkische Hymne« an. Jeder kannte inzwischen den Text von Gustav Büchsenschütz. »Steige hoch, du roter Adler…«, so dröhnte die Huldigung für das Wappentier des Landes Brandenburg durch den Fahrgastraum.
    Am Havelblick-Brauhausberg hielt der Bus noch einmal an, um die letzten Teilnehmer der Reise aufzunehmen. Drei Fahrgäste stiegen zu, darunter eine Frau, die sofort Aufmerksamkeit erregte. Ganz so jung, wie der erste Blick versprochen hatte, war sie zwar nicht mehr, aber äußerst attraktiv und modisch gekleidet. Das hautenge Kostüm aus feinstem Antilopenleder unterstrich auf raffinierte Weise ihre schlanke Figur. Der Kopf der Dame war das reinste Kunstwerk, so sehr war er vor dem Spiegel verschönt worden. Das kupferfarbene Haar gab dem Gesicht etwas Exotisches. Die grauen Augen schienen das einzig Naturbelassene an ihr zu sein. Sogar das Lächeln paßte zum Outfit.
    Erst nach genauem Hinschauen erkannte Beate Randolf, daß hier keine Unbekannte zugestiegen war. Mit einem gedanklichen Zuschlag von fünf, sechs Jahren war klar, daß niemand anders als
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