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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam
Autoren: Georg R. Kristan
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die Spannung. Gedeckt war auf feinstem Damast. Das Geschirr kam aus der königlichen Porzellanmanufaktur und ein leichter Rose unterstrich die Schönheit der makellos geschliffenen Gläser aus Frankreich.
    Nur ein Gespräch wollte nicht so recht aufkommen. Erst als Bernd Kalisch von seinem Flug nach Norwegen und dem mißlungenen Aufenthalt in Arendal berichtete, wurde die Runde lockerer.
    »Beate hat unseren Helden der Luft davor bewahrt, der Langeweile zu erliegen«, gab Stefan Munskau der Tischrunde kund.
    »Bernd hat weder mitternächtliche Telefongespräche noch einen Sturmflug gescheut, um rechtzeitig hier zu sein und eine Bekanntschaft aus früheren Jahren zu erneuern. Er kennt unseren Gast aus Potsdam aus der Zeit seines Wirkens an der Humboldt-Universität Berlin.«
    Das Thema schien Hartensteins Lebensgefährtin wenig zu interessieren. Sie wandte sich direkt an Beate: »Sind Sie auch im Unternehmen Ihres Mannes beschäftigt, Frau Randolf?«
    »Nein, wie schon gesagt, ich kümmere mich um kulturelle Angelegenheiten; im Park von Sanssouci und in den preußischen Schlössern spiele ich den Cicerone für Russen und Amerikaner.« Beate drehte ihr Glas. »Ständige freie Mitarbeiterin, so heißt das neuerdings.«
    »Dann sprechen Sie auch russisch?« erkundigte sich Hartenstein.
    »Ja, ein wenig. Die Ausbildung gehörte bei uns dazu. Englisch war mein Wahlfach. Jetzt zahlt sich das aus.«
    »Sprachen wollen vor Ort geübt sein. War das nicht ein Privileg der Reisekader?«
    Mit dieser Frage hatte Hartenstein sich decouvriert. Wer den Begriff »Reisekader« so gebrauchte wie er, der mußte in irgendeiner Weise zur Firma gehört haben.
    Beate wollte das Fragespiel noch etwas ausreizen und sagte: »Ich hatte zweimal die Möglichkeit, mit einer staatlichen Studiengruppe nach England zu fahren. – Ob man das Reisekader nennt, weiß ich nicht.«
    »Aber Silke Marino konnte doch immer allein reisen, oder?« fragte Ellen über den Tisch. »Bernd kennt sie…«
    Stefans steinerner Blick ließ sie verstummen. Sie stand abrupt auf, um das Dessert zu servieren: Mangosorbet auf Zitronenmelisse.
    Bernd Kalisch sprang in die Bresche; hier war nichts mehr zu vertuschen: »Wir wissen doch, daß die Marino sich ihre Sonderstellung schwer erarbeitet hat. – Herrn Hartenstein und Frau Mühlberg wird der Name wohl nichts sagen. Aber wer einmal in Bonn in der Ständigen Vertretung Ost gearbeitet hat, weiß, von wem wir sprechen. Das Filmstarlet hat seine Gunst großzügig verschenkt und vielen Aktivisten Freude bereitet.«
    »Silke Marino war gestern mit im Bus«, verkündete Beate Randolf trocken. »Ich habe sogar mit ihr gesprochen.«
    »Du hast mit ihr gesprochen?« fragte Bernd Kalisch überrascht.
    »Ja, aber nur kurz. Sie nutzt die billige Fahrgelegenheit mit dem Zirkel und scheint öfter hier zu sein. Sie hat ein Filmengagement bei einer amerikanischen Werbeagentur mit Sitz in Bonn und Potsdam. Das heißt, sie dreht auch bei der DEFA. – Aber sehr gesprächig war sie nicht; wir sind uns dann aus dem Weg gegangen.«
    Hartenstein hatte den kurzen Meinungsaustausch interessiert verfolgt, sagte aber kein Wort.
    Jetzt macht er auf Pokerface, dachte Beate.
    Die Gesprächspausen wurden immer länger, obwohl sich alle am Tisch bemühten, mit unverfänglichen Geschichtchen zur Unterhaltung beizutragen. Hartenstein witzelte über den Boom in der Fahrzeugbranche, Bernd hatte noch ein paar Fliegeranekdoten parat, und Beate berichtete von den Touristen, die scharf darauf waren, in Potsdam Souvenirs aus Preußens Zeiten zu ergattern. Um die Nachfrage zu decken, produzierten windige Zeitgenossen Uniformteile, Knöpfe, Tressen, Lederzeug und Orden aller Klassen in hinreichenden Mengen, so daß an »Originalstücken« kein Mangel entstand.
    Beim Kaffee fragte Ellen Munskau beiläufig: »Und wann geht es morgen zurück an die Spree?«
    »Abfahrt um achtzehn Uhr vom Hotel Topas – aber die Potsdamer halten es mehr mit der Havel und ihren Seen«, klärte Beate auf. »Davon gibt’s einige: Tiefer See, Heiliger See, Templiner See und sogar einen Jungfernsee. – Die Spree überlassen wir den Berlinern.«
    Ellen kicherte. »Ach, all diese Bäche und Teiche in und um Berlin; da findet keiner durch, der am Rhein groß geworden ist. Aber ein Jungfernsee – der gefällt mir.«
    Hartenstein lachte zum ersten Mal – und dabei blieb es.
    Wenig später drängte Bernd Kalisch zum Aufbruch. Er wollte endlich allein sein mit Beate. »Ich werde die Dame aus
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