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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam
Autoren: Georg R. Kristan
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Potsdam zum Hotel bringen«, erklärte er. »Mein Wagen steht am Rathenau-Ufer. Der kleine Fußmarsch dorthin wird uns guttun.«
     
     
    Das Luxusappartement im Ortsteil Plittersdorf, unweit des Schaumburger Hofs, ließ deutlich erkennen, daß Bernd Kalisch seinen Anteil am westdeutschen Wirtschaftswunder erhalten hatte. Beate nahm die teure Umgebung kaum wahr, sie hatte nur einen Wunsch: diese Nacht in Bernds Armen zu verbringen. Sie wollte mit ihm noch einmal eintauchen in das vollkommene Glück, von dem sie seit der Trennung geträumt hatte.
    Als die Tür hinter ihnen ins Schloß gefallen war, drängten ihre Körper zueinander. Keine unnötigen Worte, kein Verweilen im Bad mit der runden Wanne, die für zwei Personen Platz bot. Achtlos fiel die überflüssig gewordene Kleidung auf den Boden. Kein Vorspiel, nur ein urgewaltiges Zusammentreffen der Leidenschaften. Es war wie ein Schöpfungsakt.
    »Ein Vulkanausbruch«, flüsterte Beate, als sie wieder zur Ruhe gekommen waren. »Ich weiß nicht einmal, ob du glücklich warst.«
    Er legte ihr den Zeigefinger auf den Mund. »Laß uns noch eine Weile träumen.«
    Das Telefon summte. Bernd nahm ab, drückte kurz auf die Gabel und legte den Hörer daneben. So schliefen sie ein.
    Sie wurden wach, liebten sich und schliefen weiter.
    Für das Frühstück hatte Bernd vorgesorgt. Tiefgefrorene Brötchen waren schnell aufgebacken, ein Milchmüsli gemixt und Eier gekocht. Butter, Marmelade und Aufschnitt gab der Kühlschrank her. Der Thermostat im Automaten hielt den Kaffee warm.
    Sie saßen auf dem Balkon und genossen den Sonnenschein.
    »Happy?« fragte Bernd.
    »Very«, antwortete Beate. »Serrr vill Glück, Gospodin!«
    Sie lachten.
    »Für ein Mittagessen auf dem Petersberg oder im Königshof dürfte es viel zu spät sein«, stellte Bernd ohne Bedauern fest.
    »Kein Widerspruch, Euer Ehren. Von mir aus können wir den ganzen Tag in diesem Armenhaus verbringen. Wenn wir uns um fünf auf den Weg machen, müßte das für die Abfahrt reichen.«
    Bernd nahm Beates Hand. »Mein Feuervogel, jetzt bitte nicht gleich traurig sein; aber ich habe am Nachmittag ein paar geschäftliche Termine, die ich nicht sausen lassen kann.«
    »Am Sonntag?«
    »Ja, leider. Bei der Sondertronic gibt’s keine Feiertage – außer Weihnachten vielleicht und Ostern; aber das ist auch nicht so sicher.«
    »Och Bernd«, schmollte Beate, »das sagst du mir erst jetzt. Darauf hätte ich mich doch einstellen müssen.«
    »Und was wäre dann anders gewesen?«
    Sie deutete mit der Hand zum Schlafraum. »Ich hätte leichten Herzens auf das Frühstück verzichtet.«
    Bernd spürte die Traurigkeit hinter diesem Scherz. »Kopf hoch, dies war zwar seit langer Zeit unsere erste Nacht, aber bestimmt nicht die letzte. Auf alle Fälle werde ich zur Abfahrt des Busses im Topas sein und dir noch einen Kuß mit auf die Reise geben. Aber jetzt drängt die Zeit. Wenn meine Termine nicht platzen sollen, müßte ich dich spätestens in einer Stunde im Hotel absetzen. – Möchtest du noch einmal…?«
    Beate schüttelte den Kopf. »Es läuft nicht mehr, und es wäre auch falsch. Nein, nicht ein solches Trostpflaster nach dieser Nacht. Es ist besser, wenn wir uns anziehen und bald aufbrechen.«
    Mit diesem Abgang war Bernd Kalisch ganz und gar nicht einverstanden. »Mädchen, ich weiß zwar nicht, was bei meinen Terminen herauskommt; aber bleib doch noch ein paar Tage hier.«
    Beate zögerte mit der Antwort. »Das geht nicht. Ich habe am Montag ein Dutzend hochrangiger Amerikaner durch Sanssouci zu führen. Die Schlösserverwaltung hofft, sie als Sponsoren für Rekonstruktionsarbeiten am Belvedere und ein paar anderen Objekten zu gewinnen. Wenn ich die hängenlasse, könnte es schnell aus sein mit meiner ständigen freien Mitarbeit.«
    Eine dreiviertel Stunde später trennten sie sich vor dem Hotel. Es war ein Abschied ohne sichtbare Emotionen, so, als ob es die letzten Stunden nicht gegeben hätte.
     
     
    Beate hatte keine Lust, sich mit den frohgestimmten Zirkelfreunden auf einen Stadtbummel zu begeben. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer und hängte den Zettel »Please do not disturb« mit dem deutschen Text »Bitte nicht stören« auf der Rückseite an die Türklinke, nahm noch ein Bad und versuchte, ein wenig Schlaf zu finden. Wirre Träume und Gedankenfetzen ließen sie immer wieder hochschrecken. Wer war wer gewesen in diesem Spiel der Begegnungen? Brauten sich hier Dinge zusammen, die unangenehm werden konnten, oder
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