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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
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    Prolog
    Granada
    12 . Juli 1478
    Z ahra wusste, dass sie um diese späte Stunde in ihrem Bett zu liegen und zu schlafen hatte, aber die Nacht war drückend heiß, die Luft in ihrem Zimmer schwül und stickig, und so schlich sie sich doch hinaus und huschte über die Treppe auf die Dachterrasse. Dort oben wehte ihr ein erfrischendes Lüftchen entgegen. Sie atmete auf, ließ sich auf einem Mauervorsprung nieder und blickte zum Himmel empor. Welch wundervolle, sternklare Nacht!
    Auf einmal hörte sie auf der Treppe Schritte. Erschrocken verbarg sie sich hinter dem breiten, weit hochragenden Schornstein, lugte um die Ecke – und schnellte zurück, als sie die schwarze Haarmähne ihres Halbbruders erblickte.
    Ausgerechnet Yazid! Wenn er sie hier entdeckte, würde er nichts Eiligeres zu tun haben, als sie bei ihrem Vater anzuschwärzen, und die dann folgende Standpauke konnte sie sich schon lebhaft vorstellen.
    Ihr Halbbruder trat an den Rand der Terrasse und ließ einen Eulenlaut ertönen. Nur wenige Atemzüge später kletterte ein Mann über die Mauer, die ihre Dachterrasse von der ihrer Nachbarn trennte. Er trug eine schwarze Djellaba, deren Kapuze er so tief ins Gesicht gezogen hatte, dass Zahra nicht erkennen konnte, wer sich dahinter verbarg. Mit klopfendem Herzen beobachtete sie, wie Yazid auf den Mann zuging und ihn mit einem stummen Nicken begrüßte.
    »Hast du Hassan endlich für unsere Sache gewinnen können?«, raunte der Unbekannte ihm zu.
    »Ich war kurz davor«, erwiderte Yazid. »Aber dann hat mir der Großwesir dazwischengefunkt.«
    »Verdammt, die Zeit drängt! Du weißt, dass sie schon in wenigen Wochen kommen!«
    »Keine Sorge«, beruhigte Yazid sein Gegenüber. »Die Saat ist ausgebracht, und wenn wir sie weiter kräftig begießen, wird sie Früchte tragen!«
    Zahra stellten sich die Nackenhaare auf. Was, zum Teufel, heckten die beiden da aus?
    Mit einem Mal sprangen zwei weitere Männer über die Mauer und stürzten sich mit gezückten Krummsäbeln auf Yazid und seinen Freund. Sofort zogen auch sie ihre Schwerter und wehrten die Hiebe kraftvoll ab. Doch sie konnten die Angreifer nicht zurückdrängen.
    Mehr noch als um ihren Halbbruder fürchtete Zahra um sich selbst: Wenn Yazid noch drei Schritte weiter zurückwich, würde er sie nicht nur entdecken, sondern sie überdies selbst zwischen die Kämpfenden geraten! Verzweifelt blickte sie sich nach einem anderen Versteck um, aber hier oben gab es sonst nichts, wo man sich verbergen konnte. Da machte Yazid einen Ausfallschritt und schlitzte seinem Gegner mit einem einzigen glatten Schnitt die Kehle auf. Röchelnd brach der Mann zusammen. Der zweite Angreifer wollte fliehen, doch Yazid und sein Freund stellten ihn noch vor der Mauer und stachen ihn ebenfalls nieder. Ohne ein Wort zu wechseln, luden sie sich die beiden Toten über die Schulter und verschwanden mit ihnen über die angrenzende Dachterrasse in der Dunkelheit. Mit zitternden Knien huschte Zahra zurück in ihr Zimmer und drückte leise die Tür hinter sich ins Schloss.

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    Erster Teil
    1478
    1.
    Granada
    15 . August 1478
    H ör auf mit dieser nervtötenden Vorleserei, hör sofort auf!«
    Die schneidend scharfe Stimme der Sultanin ließ die dreizehnjährige Zahra so sehr zusammenfahren, dass ihr beinahe der kostbare kleine Gedichtband aus der Hand gefallen wäre. Sie blickte zu Aischa auf.
    »Du liest heute so leiernd wie ein altes Waschweib!«, donnerte sie weiter. »Wie soll man sich denn dabei entspannen?«
    Schuldbewusst sah Zahra zu Boden. Seit Aischa ihr am Morgen gesagt hatte, dass im Laufe des Tages Gesandte der spanischen Könige im Palast erwartet wurden, schwirrte ihr ständig diese Szene im Kopf herum, deren unfreiwillige Zeugin sie vor einigen Wochen nachts auf der Dachterrasse geworden war. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Ständig fragte sie sich, ob sich Yazid und sein Freund auf die Ankunft dieser Gesandten bezogen hatten und ob sie Aischa nicht endlich erzählen sollte, was sie an jenem Abend belauscht und beobachtet hatte. Allerdings konnte sie sich letztlich keinen Reim auf deren Andeutungen machen, und sie wollte vor Aischa in keinem Fall als wichtigtuerische Schwätzerin dastehen.
    »Und auch du, Laila«, herrschte Aischa nun ihre Favoritin unter den Dienerinnen an. »Lass das Herumgewedel mit dem Fächer. Statt die Sommerhitze zu lindern, wehst du sie mir geradezu ins Gesicht. Verschwinde, verschwindet alle!«
    Als sei der Blitz in sie gefahren,
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