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Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja

Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja

Titel: Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
Autoren: John Flanagan
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der Herbst bereits vor der Tür und diese Blume hätte schon vor Wochen welken und sterben müssen. Dennoch fand ich sie heute in meinem Steingarten. Ist das nicht etwas, worüber man nachdenken und staunen sollte?«
    »Das ist es in der Tat«, antwortete Horace. Ihm ging durch den Kopf, dass er in seiner Zeit hier sehr viel gelernt hatte – und zwar nicht nur, was Kampftechnik und militärische Angelegenheiten betraf. Obwohl Shigeru die Verantwortung trug, ein Land mit unterschiedlichen und manchmal auch sehr eigenwilligen Untertanen zu regieren, fand er immer noch die Zeit, sich an den Schönheiten der Natur zu erfreuen. Horace spürte, dass diese Fähigkeit dazu beitrug, dass der Kaiser im Einklang mit sich selbst war und sich allen seinen Aufgaben in Ruhe und Gelassenheit stellen konnte.
    Nachdem der Kaiser die Blume hergezeigt hatte, kniete er sich hin und setzte sie wieder in die ordentlich geharkte Fläche weißer und schwarzer Kieselsteine.
    »Sie soll hierbleiben«, sagte er. »Das hat das Schicksal so entschieden.«
    Trittsteine bildeten Wege durch den Garten, sodass der Kaiser und sein Gast nicht die Symmetrie der geharkten Steine zerstörten. Das Ganze war wie ein Teich aus Steinen, fand Horace. Er wusste, dass der Kaiser jeden Morgen die Kiesel zu einem neuen Muster harkte. Ein unbedeutenderer Mann hätte diese Aufgabe vielleicht von Dienstboten ausführen lassen, nicht so Shigeru.
    »Wenn alles für mich getan wird«, hatte er Horace erklärt, »wie sollte ich dann jemals etwas lernen?«
    Graziös richtete sich der Kaiser jetzt wieder auf.
    »Ich fürchte, Eure Zeit bei uns neigt sich dem Ende zu«, bemerkte er nachdenklich.
    Horace nickte. »Das ist richtig, Euer Exzellenz. Ich muss nach Iwanai zurückkehren. Unser Schiff wird Ende der Woche einlaufen.«
    »Es tut uns leid, Euch weggehen zu sehen«, sagte Shigeru.
    »Und mir tut es leid zu gehen«, erwiderte Horace.
    Der Kaiser lächelte. »Aber es tut Euch nicht leid, nach Hause zurückzukehren?«
    Horace lächelte ebenfalls. »Nein. Ich freue mich darauf. Ich war lange fort.«
    Der Kaiser bedeutete Horace, ihm zu folgen, und sie verließen den Steingarten und schlugen den Weg in ein kleines Wäldchen ein. Sobald sie die Trittsteine des Steingartens verlassen hatten, war genug Platz, um Seite an Seite zu gehen.
    »Ich hoffe, Eure Reise hat sich gelohnt. Nehmt Ihr denn etwas von Eurem Aufenthalt bei uns mit nach Hause?«, fragte Shigeru.
    »Ich habe sehr viel gelernt, Eure Exzellenz. Ich bin mir nicht sicher, ob Eure gesellschaftliche Ordnung nach Araluen passen würde, aber sie ist sehr aufschlussreich.«
    Die Krieger von Nihon-Ja stammten aus einer kleinen Elitegruppe der Oberschicht, die Senshi genannt wurde. Diese wurden von Geburt an in der Schwertkunst unterrichtet und begannen ihre Übungen im frühen Alter, vielleicht zum Nachteil manch anderer Fächer. Dementsprechend hatten sich die Senshi nach und nach zu einer ausgesprochen kämpferischen Gemeinschaft entwickelt, die sich den anderen gesellschaftlichen Klassen von Nihon-Ja überlegen fühlte.
    Shigeru war ebenfalls ein Senshi, doch er stellte in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar. Natürlich hatte er seit seiner Kindheit mit dem Katana geübt und war ein äußerst fähiger, um nicht zu sagen überragender Schwertkämpfer. Von ihm als Kaiser wurden diese Fähigkeiten auch erwartet. Doch darüber hinaus hatte er viele Interessen – wie Horace soeben erneut bemerkt hatte – und eine mitfühlende wie auch wissbegierige Seite. Das Wohl aller Menschen war ihm ein Anliegen, auch derer, die als zu den niedrigen Schichten gehörig betrachtet wurden: die Fischer, Bauern, Holzfäller und Zimmerleute, die von der Mehrheit der Senshi mit Geringschätzung behandelt wurden.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob wir diese Ordnung in unserem Land auch weiterhin so belassen können«, sagte er zu Horace, »oder ob wir sie überhaupt so belassen sollten.«
    Der junge Mann aus Araluen sah ihn von der Seite an. Er wusste, dass Shigeru die Bedingungen für die niedrigeren Schichten verbessern und ihnen Mitsprache darüber zubilligen wollte, wie dieses Land regiert wurde. Horace wusste aber auch, dass dieses Vorhaben bei einem großen Teil der Senshi höchst unerwünscht war.
    »Die Senshi werden sich wahrscheinlich jeglicher Änderung widersetzen«, sagte er daher zögernd.
    Der Kaiser seufzte.
    »Ja. Das werden sie. Es gefällt ihnen, das Sagen zu haben. Deshalb ist es dem einfachen Volk verboten, Waffen zu tragen
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