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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder
Autoren: Nancy Atherton
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    ALS DER MORD in Finch geschah, waren meine Familie und ich dreitausend Meilen weit entfernt. Das verschaffte uns ein »so gut wie wasserdichtes Alibi«, wie mein Mann, der Anwalt ist, es ausdrückte. Aufgrund der Tatsache, dass unsere Zwillinge noch nicht ganz zwei Jahre alt waren, konnte es darüber hinaus als sicher gelten, dass auch sie nichts mit der Tat zu tun hatten. Da ich andererseits laut Bill in der Lage war, alles irgendwie hinzukriegen, und das völlig unabhängig von Zeit und Raum, sah er sich gezwungen, mich doch noch als Verdächtige in Betracht zu ziehen. Mir war nicht so recht klar, ob ich mich angesichts seines grenzenlosen Glaubens an mich geschmeichelt fühlen oder entsetzt sein sollte.
    Obwohl Bill und ich Amerikaner sind, lebten wir in England, genauer gesagt in einem honigfarbenen Cottage in der Nähe des Dörfchens Finch in den Cotswolds. Finch ist ein verschlafenes Nest auf dem Lande, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, eine Zuflucht für Rentner und in Ferienzeiten für Sommerfrischler aus der Stadt. Es ist ein friedlicher Ort, wo die Leute ein ruhiges Leben führen, kurz: genau das Richtige für uns. Bill leitete von seinem Büro am Dorfplatz aus die europäische Zweigstelle der ehrwürdigen Kanzlei seiner Familie, während ich mit Will, Rob und einer bei uns lebenden zuverlässigen englischen Kinderfrau das Haus hütete.
    Ein besseres Leben konnten wir uns einfach nicht vorstellen.
    Doch wir hatten auf der anderen Seite des Atlantiks familiäre Verpflichtungen, sodass wir die ersten drei Monate des neuen Jahres drüben hatten verbringen müssen. Wir lebten bei Bills Vater im Familiensitz in Boston, einem echten Herrenhaus, wo uns Bills hochnäsige Tanten ein schwindelerregendes Besuchsprogramm auferlegten, wohl in der Absicht, die Zwillinge allen Wichtigtuern im noblen Bostoner Stadtteil Brahmin vorzustellen. Ich vergötterte meinen Schwiegervater, doch durch die Gesellschaft zu wirbeln, war wirklich nicht mein Ding. So war ich am Ende der drei Monate überglücklich, in mein Leben in Finch zurückzukehren.
    Am Tag nach unserer Ankunft stand ich im Wohnzimmer und genoss den Anblick eines Aprilschauers, der gerade kräftig die Weißdornhecke abduschte, als die Frau des Pfarrers auf unserer Kiesauffahrt vorfuhr. Ich war wie immer hocherfreut. Lilian Bunting war eine schlanke Dame mittleren Alters, gebildet, liebenswürdig und als Beobachterin mindestens so scharfsichtig wie ein mit allen Wassern gewaschener Polizist.
    Wenn mich jemand auf den neuesten Stand von drei Monaten Klatsch in und um Finch bringen konnte, dann Lilian.
    Ich empfing sie an der Haustür, nahm ihr den Schirm ab und wollte ihren Regenmantel aufhängen, doch sie lehnte ab.
    »Ich kann nicht bleiben, Lori«, erklärte sie.
    »Ich muss wirklich gleich wieder zu Teddy zurück.«
    »Ist der Pfarrer krank?«, fragte ich leicht beunruhigt.
    »Nein, aber das wird er noch, wenn diese Angelegenheit nicht zügig aufgeklärt wird.« Lilian verschränkte nervös die Finger. »Das ist auch der Grund, warum ich gekommen bin. Ich muss Sie um einen Gefallen bitten. Ich hätte mich ja an Emma Harris gewandt, aber sie und Derek sind für ein paar Tage nach Devon gefahren.«
    »Ach, dort sind sie also!« Emma Harris war meine nächste Nachbarin und engste Freundin in England. Bei meiner Rückkehr hatte ich eine Nachricht von ihr auf meinem Anrufbeantworter vorgefunden, doch als ich versucht hatte, zurückzurufen, war niemand drangegangen.
    »Und am Telefon wollte ich Sie nicht um Hilfe bitten«, fuhr Lilian fort. »Ich wäre gar nicht mit so etwas zu Ihnen gekommen, wenn es nicht wegen Teddy wäre.«
    Meine Unruhe wuchs. Lilian Bunting nahm es mit der Höflichkeit ganz genau, und doch hatte sie mich nach der langen Abwesenheit weder willkommen geheißen noch die obligatorischen Erkundigungen nach Bill und den Jungen angestellt. Ihr Haar war zerzaust, ihr Gesicht eingefallen und sie wirkte durcheinander, ja erschöpft.
    Ich beugte mich vor. »Was ist los, Lilian?«
    »Es ist wegen Nicky«, sagte sie. »Nicholas Fox, mein Neffe. Nicky ist ein Schatz, aber jetzt wird er für ganze zwei Wochen bei uns bleiben, und ich weiß einfach nicht, was ich mit ihm machen soll! Es gibt im ganzen Dorf niemanden in seinem Alter, und weil Teddy und ich morgen ziemlich lange beschäftigt sein werden, wollte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht …« Sie sah mich mit flehendem Blick an.
    »Bringen Sie Nicky ruhig zu mir«, sagte ich, ohne zu überlegen.
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