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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin
Autoren: Petra Durst-Benning
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Angst wuchs. Was, wenn sie zwischen zwei einsamen Dörfern einen Unfall hätten und im Straßengraben landeten? Bis ihnen in dieser dünnbesiedelten Landschaft jemand zu Hilfe kam, konnte eine Ewigkeit ver­ge­hen … Falls sie in dieser Nebelsuppe überhaupt jemand fand!
    Zu Isabelles großer Erleichterung erreichten sie Pirmasens unversehrt. Angespannt schaute sie aus dem Fenster, während sie auf der Fahrt durch die Vorstadt ein Fabrikgebäude nach dem anderen passierten. Die Luft roch säuerlich nach gegerbtem Leder und dem Qualm der vielen Fabrikkamine. Auf fast allen Firmenschildern waren Schuhe oder ein Schuster abgebildet, »Schuhfabrik Neuffer«, »Schuhfabrik Rheinberger«, »Schuhfabrik Peter Kaiser« – normalerweise hätte es sie, die Fabrikantentochter, brennend interessiert, warum ausgerechnet hier so viele Schuhe hergestellt wurden. Selbstredend hätte sie auch den einen oder anderen Blick in ein Schaufenster riskiert, doch heute interessierte sie einzig die Frage, was bei diesem Notartermin wohl auf sie zukommen mochte.
    Als der Landauer die Innenstadt erreichte und schließlich auf dem unteren Schlossplatz vor einem gelben Patrizierhaus unweit des Rathauses hielt, atmete Isabelle erleichtert aus. Endlich!
    Mit einer unangenehmen Fistelstimme verlas der Notar, der in seinem braunen Anzug mit den braunen Furnierholzmöbeln seines verstaubten Amtszimmers regelrecht zu verschmelzen schien, den letzten Willen von »Monsieur Jacques Feininger«. Ein zweiter Herr, in dunkelgrünem Loden gekleidet, saß neben ihm. Er war ein vom Landgericht offiziell vereidigter Übersetzer. Da der Verstorbene irgendwann in seinem Leben die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatte und das Testament auf Französisch verfasst worden war, musste jeder Satz, den der Notar vorlas, ins Deutsche übersetzt werden, so wollte es das Gesetz. Isabelle, die nach dem jahrelangen Drill in der Höheren Mädchenschule Französisch recht gut sprach und noch besser verstand, hätte auf die langwierige Übersetzerei gern verzichtet.
    »… setze ich, Jacques Feininger, hiermit meinen Neffen Leonard Feininger zum Alleinerben ein …«
    Leon sollte etwas erben! Aufgeregt krallte Isabelle ihre Finger in Leons Arm.
    »… ein Weingut in Hautvillers gelegen …«
    Ein Weingut in Hautvillers? Von diesem Ort hatte sie noch nie etwas gehört. Lag der auch in der Pfalz? Und wer war dieser Onkel Jacques Feininger? Verwirrt schaute Isabelle von dem Notar zu Leon. Doch auch er wirkte völlig überrumpelt. Eine steile Falte zeigte sich auf seiner Stirn, und er schüttelte immer wieder den Kopf, als hätte er Mühe, das, was der Notar vortrug, mit sich selbst in Verbindung zu bringen.
    Nach einer guten Stunde klappte der Notar die lederne Mappe, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag, zu. Die Holzbeine seines Stuhls kratzten unangenehm über den gräulichen Parkettboden, als er aufstand. Isabelle und Leon taten es ihm gleich. Der Übersetzer, auf dessen Stirn sich vor Anstrengung Schweißperlen gebildet hatten, blieb sitzen und füllte ein Formular aus.
    Der Notar hüstelte, dann reichte er Leon die Hand.
    »Gratulation, mein Herr! Ein Weingut in der Champagne – ich habe schon ärmlichere Erbschaften gesehen.«
    »Ein Weingut in der Champagne! Ich werde verrückt …« Sie waren noch nicht ganz zur Tür des Notariats hinaus, als Isabelle ihrem Mann befreit auflachend in die Arme fiel. Nothzeit adieu! Das war die Chance, auf die sie gewartet hatte. Ein eigenes Weingut …
    Leon schien noch immer etwas belämmert zu sein. Eindringlich rüttelte Isabelle an seinem Arm.
    »Dieser Jacques, warum hast du mir noch nie von ihm erzählt? Und warum vermacht er seinen Besitz ausgerechnet dir? Ein Weingut in der Champagne! Was hat das alles zu bedeuten?«
    Auf Leons Gesicht breitete sich langsam ein Grinsen aus. »Ganz einfach, chérie ! Das bedeutet, dass wir fortan reiche Leute sind. Wir werden tun und lassen können, was immer wir wollen!« Mit einer übertrieben galanten Geste reichte er ihr seinen Arm. »Lass uns feiern gehen!«
    »Onkel Jakob ist, äh, war Vaters zwei Jahre jüngerer Bruder. Keine Ahnung, seit wann er sich Jacques genannt hat.« Leon zuckte mit den Schultern. »Er verließ Nothzeit, als ich drei oder vier Jahre alt war. Es gab damals irgendwelchen Ärger zwischen ihm und meinem Vater, als Kind bekommt man so etwas nur unterschwellig mit, ohne zu wissen, worum es genau geht. Meine Mutter hat viel geweint zu dieser Zeit, auch daran
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