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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin
Autoren: Petra Durst-Benning
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besuchen?«
    Leon nickte. Dann ergriff er ihre rechte Hand, als wollte er sie vorab schon für seine folgenden Worte um Verzeihung bitten. Er sagte gedehnt: »Mutter, wenn wir fahren, dann für immer. Ich weiß schließlich, was mich dort erwartet, da ist es klug, den Umzug gleich richtig anzugehen.«
    Isabelle frohlockte innerlich. Keine weiteren Verzögerungen, Gott sei Dank! Doch als sie den Schmerz in Annis Blick sah, versetzte er ihrer Vorfreude zumindest einen kleinen Dämpfer.
    Man hätte sich die Verabschiedung von ihrem Schwiegervater kaum kühler vorstellen können. Ein kurzes Händeschütteln, ein mürrischer Blick, das war’s. Dass er eingewilligt hatte, Leon und sie samt ihrem Gepäck zum Bahnhof nach Pirmasens zu fahren, kam in Isabelles Augen immer noch einem Wunder gleich. Anni Feininger musste massiv auf ihren Mann eingewirkt haben, sonst hätte Oskar sich nie dazu herabgelassen. Mit seiner Entscheidung für die Champagne und gegen die Pfalz war Leon in den Augen seines Vaters nun ebenfalls ein Abtrünniger geworden. Dementsprechend schlecht hatte er ihn behandelt. Statt Leon hilfreiche Tipps mit auf den Weg zu geben, hatte er sich ständig lustig über ihn gemacht. » Du willst ein Weingut leiten? Ausgerechnet du mit deiner schwachen Arbeitsmoral? Wenn dir das Radfahren weiterhin über alles geht, wird auf ›deinem‹ Hof bald der Schlendrian Einzug halten!«
    Leon tat zwar so, als könnten ihn die Sprüche seines Vaters nicht verletzen, doch Isabelle kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass es in seinem Inneren anders aussah. Sie hätte ihren Schwiegervater umbringen können! Doch genauso sehr ärgerte sie sich darüber, dass Oskar Feininger es geschafft hatte, in ihr ein Körnchen Skepsis zu säen, was Leons Fähigkeiten als zukünftiger Gutsbesitzer betraf. Ein wenig hatte Oskar ja recht – auf dem Hof hatte sich Leon bisher nicht besonders hervorgetan, das Radfahren war ihm stets wichtiger gewesen. Was bist du nur für eine illoyale, schlechte Ehefrau!, schimpfte sie deswegen im Stillen mehr als einmal mit sich. Auf dem eigenen Weingut würde sich Leon bestimmt ganz anders einsetzen.
    Steif reichte Isabelle ihrer Schwiegermutter die Hand.
    »Alles Gute. Und danke«, fügte sie halbherzig hinzu.
    Der Händedruck der sonst so zupackenden Bäuerin war kraftlos. Mit einem knappen Kopfnicken wandte sie sich von Isabelle ab.
    »Leon … mein Bub …«, flüsterte sie mit erstickter Stimme, dann legte sie beide Arme um ihren Sohn. »Lebe wohl.«
    Isabelle fröstelte, und das lag nicht allein an dem gnadenlosen Ostwind, der über den Bahnsteig peitschte. Dieses Wetter hätte eher nach Sibirien gepasst, aber nicht in die Pfalz, wo nun, Ende Februar, in den städtischen Vorgärten schon die ersten Krokusse blühten.
    »Wir schreiben uns Briefe, jede Woche, versprochen! Und wenn ihr uns besuchen kommt, feiern wir ein großes Fest, bei dem der Champagner in Strömen fließt«, sagte Leon aufmunternd zu seiner Mutter und sah dabei so aus, als glaubte er seine Worte in diesem Moment sogar.
    Anni Feiningers Handbewegung sprach hingegen eine andere Sprache: Die Tiere, die versorgt werden wollten, die eigenen Weinberge, die ablehnende Haltung von Leons Vater allem gegenüber, was mit Jacques und der Champagne zu tun hatte – sie wusste, dass sie ihren Sohn wahrscheinlich nicht so bald wiedersehen würde.
    Betreten wandte sich Isabelle von Anni Feininger ab, die sich noch immer wie eine Ertrinkende an ihren Sohn klammerte. Die arme Frau. Zum ersten Mal ahnte Isabelle, was sie ihrer eigenen Mutter angetan hatte, als sie davongelaufen war. Wenn sie sich erst einmal in Hautvillers eingelebt hatten, würde sie vielleicht doch zu Papier und Feder greifen und ein paar Zeilen nach Berlin schreiben. Ihr Vater brauchte davon ja nichts mitzubekommen. Sie konnte den Brief an Clara adressieren, und die würde ihn dann Jeanette Herrenhus aushändigen.
    Das schrille Pfeifen des einfahrenden Zuges riss Isabelle aus ­ihren Gedanken, und sie war froh darüber.
    »Das war’s dann wohl«, sagte Leon mit belegter Stimme und schaute seinen Eltern hinterher, die Richtung Ausgang gingen.
    »Willst du keinen Kofferträger engagieren?«, sagte Isabelle. »Allein bekommen wir das ganze Gepäck doch nie in den Zug.«
    »Ich werfe kein Geld dafür aus dem Fenster, dass mir jemand den Koffer trägt. Lass mich nur machen.« Froh, etwas zu tun zu haben, was ihn vom Abschiedsschmerz ablenkte, drückte Leon Isabelle einen Kuss
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