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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin
Autoren: Petra Durst-Benning
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1. Kapitel
    In der Pfalz, Januar 1898
    »Du bist zum Heiraten erzogen worden, nicht zum Kartoffelschälen!«
    Isabelle schrak zusammen, als sie plötzlich wie aus dem Nichts die Stimme ihrer Mutter hörte und gleich darauf ihr zirpendes Lachen. Das Lachen, mit dem Jeanette Herrenhus Isabelles Einwände stets unwiderruflich vom Tisch gewischt hatte.
    Erschrocken legte Isabelle das Messer aus der Hand. Wurde sie verrückt? War es schon so weit, dass sie Stimmen hörte? Ihr Blick wanderte durch die Küche mit der rußgeschwärzten, tiefhängenden Decke und den kleinen Fenstern, durch die kaum ein Lichtstrahl fiel. Wundern würde sie sich nicht darüber …
    Die Enge des Raumes wie auch des ganzen Hauses sorgte immer stärker dafür, dass sich Isabelle wie ein Vogel in einem viel zu kleinen Käfig fühlte. Ganz gleich, wie sehr sie sich drehte und wendete, der Platz wurde nicht mehr. Die Luft zum Atmen auch nicht.
    Sie schob eine lockige rote Strähne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinters Ohr, dann nahm sie angewidert ihre Arbeit wieder auf. Wie schrecklich, wenn ihre Mutter tatsächlich hier wäre – die ehemalige Grande Dame des Berliner Staatsballetts würde auf der Stelle einen Nervenzusammenbruch erleiden. Und Isabelle hätte es ihr nicht einmal verdenken können.
    Hier – das war ein kleines pfälzisches Dorf nahe der französischen Grenze, tief in einem Talkessel gelegen. Diese Tallage war schuld daran, dass durch die winzigen Fenster des Fachwerkhauses so wenig Licht fiel. In Richtung Westen erhoben sich riesige schwarze Wälder, die schon zu Frankreich gehörten, im Osten gab es ein paar Weinberge, auf denen Silvaner und Grauburgunder angebaut wurde. Dazwischen lag Nothzeit. Isabelle schauderte es, wenn sie nur an den Namen des Dorfes dachte. Keiner hätte besser gepasst. Das Dorf bestand aus gerade einmal ein paar Dutzend gedrungenen Fachwerkhäusern, einer Kirche und einer Dorfschule. Einen Laden gab es nicht, für Einkäufe musste man in die nächstgelegene Stadt fahren. Und selbst dort schien nach Isabelles Auffassung alles lebendig begraben zu sein. Genau wie sie selbst hier in diesem Haus. Nicht, dass irgendjemand außer ihr schuld daran wäre!
    In der näheren Umgebung von Nothzeit ragten auf den Berghängen eine Handvoll düstere Burgen in die Höhe, die irgendwelche Landesfürsten vor Zeiten erbaut hatten. Leon hatte angekündigt, im kommenden Frühjahr mit ihr Ausflüge dorthin machen zu wollen. Voller Besitzerstolz, als hätte er eigenhändig an den trutzigen Bauwerken mitgebaut, hatte er von der historischen Vergangenheit dieser Gegend geschwärmt. Von den Kelten, den Römern und den Germanen. Sie hatte nichts gesagt, sich aber ihren Teil gedacht: Alte Steinhaufen besichtigen – da konnte sie gleich in Nothzeit hocken bleiben!
    Selbst wenn Isabelle noch Kontakt mit ihrer Familie in Berlin gehabt hätte, hätte sie es nie übers Herz gebracht, ihrem Vater, dem erfolgreichen Unternehmer Moritz Herrenhus, und seiner schönen Gattin, der ehemaligen Primaballerina des Berliner Staatsballetts, zu schreiben: »Ich wohne in Nothzeit. Besucht mich doch einmal!«
    Isabelle lachte trocken auf. Dafür hatten ihre Eltern sie nicht in die Höhere Mädchenschule geschickt. Sie, die schöne Debütantin, hatte eine gute Partie machen sollen. Geld heiratet Geld, und die Macht liegt als Dritte mit im Bett – so hatte ihres Vaters Plan gelautet. Einen Heiratskandidaten nach dem anderen hatte er für sie angeschleppt, Fabrikantensöhne, junge Grafen und einen alten Baron, ausländische Diplomaten mit besten Kontakten. Er hatte so große Hoffnungen in sie gesetzt und kräftig investiert! Die schönsten Kleider, edler Schmuck, aufwendige Frisuren – für seine Prinzessin gab es immer nur das Beste. Und tatsächlich war sie auf jedem Fest der umschwärmte Mittelpunkt gewesen. Ihr Charme, ihre Unkompliziertheit und ihr ansteckendes Lachen hatten ihr mindestens so viel Bewunderung eingebracht wie ihr gutes Aussehen. Eine Haut wie Milch und Honig, rotgoldene Locken, die ihr bis zur Taille reichten und die sie stets nur zur Hälfte aufsteckte, so dass die Haare ihren Rücken hinabwallten wie geschmolzenes Kupfer. Ihre smaragdgrünen Augen wurden durch den dichten dunkelbraunen Wimpernkranz noch akzentuiert, ihre feingeschwungenen Brauen verliehen ihnen stets einen kühnen, herausfordernden Ausdruck, als wollte sie sagen: »Was kostet die Welt? Gleichgültig, ich kann mir alles leisten!«
    Anträge hatte es mehr
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