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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin
Autoren: Petra Durst-Benning
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aus zuschaute. Ziemlich verloren war sie sich damals vorgekommen, so als wäre sie durch eine unsichtbare Wand von den anderen getrennt. Aber selbst wenn sie beim Kochen hätte helfen wollen – sie wusste ja nicht einmal, wie man ein Schälmesser hielt!
    Am Abend, als sie ihrer Mutter von ihrer Hilflosigkeit bei Jo­sefines »Einweihungsfest« erzählte, erwiderte diese jenen bedeutungsvollen Satz: »Mach dir nichts draus, du bist zum Heiraten erzogen worden, nicht zum Kartoffelschälen!«
    Damals hatte sich Isabelle nichts weiter dabei gedacht – ihresgleichen beschäftigte Personal mit solchen Arbeiten, so war das nun einmal.
    Vielleicht hätten ihre Eltern sie besser zum Überleben erzogen, dachte Isabelle nun, als sie kurzatmig auf der Anhöhe hinter dem Hof stand. Dann wäre ihr die Umstellung auf das Leben, das sie hier führen musste, vielleicht nicht so schwergefallen.
    Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, doch auch von hier oben war keine Spur von Leon zu entdecken. Sie seufzte. Bis zu einem gewissen Punkt konnte sie Leons Radsportleidenschaft ja nachvollziehen – schließlich hatte auch sie ihr bis vor kurzem gefrönt. Aber so konnte es einfach nicht weitergehen, beschloss sie, während sie vorsichtig wieder den Berg hinabrutschte. Etwas musste geschehen, sonst würde sie noch vor Anbruch des Frühjahrs verrückt werden.
    Die nächsten Stunden vergingen nur sehr langsam. Wie ein gefangenes Tier tigerte Isabelle in ihrem Schlafzimmer auf und ab, die Dielen des Holzbodens knarzten höhnisch bei jedem Schritt. Der Raum war ungeheizt, so wie alle Räume im oberen Stockwerk. Isabelle legte sich einen Wollschal um die Schultern, doch sehr viel wärmer war ihr danach auch nicht. In die geheizte Wohnstube hinunterzugehen war keine gute Alternative, denn dort hätte sie den Pfeifenqualm von Oskar Feininger und seinem noch schweigsameren Bruder Albert, der ebenfalls auf dem Hof lebte, ertragen müssen. Nun, da die Arbeiten in den Weinbergen und auf den Äckern ruhten, hockten die Männer stundenlang in der guten Stube und rauchten. Isabelle fand das schrecklich.
    Deprimiert schaute sie sich in dem düsteren Zimmer um. Schon vor Wochen war ihr der Lesestoff ausgegangen, und im Hause Feininger war außer einer christlichen Zeitschrift nichts zu haben.
    In ihrer Verzweiflung setzte sie sich schließlich hin und begann einen Brief an ihre Freundin Clara zu schreiben. Doch schon nach der Anrede brach sie wieder ab. Außer ihrem Gejammer gab es nichts, was sie der Freundin hätte mitteilen können. Als Ehefrau eines Arztes verwaltete Clara eine große Praxis. Sie hatte außerdem natürlich ihren Haushalt und den kleinen Matthias, also ein mehr als ausgefülltes Leben. Clara hätte bestimmt verständnislos darauf reagiert, dass sie hier saß und Däumchen drehte, und wenn es noch so unfreiwillig war.
    Dasselbe galt für ihre Freundin Josefine, die zusammen mit ihrem Mann einen gutgehenden Fahrradhandel betrieb. Und wenn sie erst an Lilo aus dem Schwarzwald dachte! Die Radsportkameradin führte zusammen mit ihrem Ehemann nicht weniger als drei luxuriöse Heilanstalten! So ähnlich hatte sie, Isabelle, sich ihr Leben in der Pfalz auch vorgestellt. In ihrer Naivität hatte sie davon geträumt, zusammen mit Leon die Zügel des Weinguts in die Hand nehmen zu können.
    Träume … Davon hatten sie als junge Mädchen mehr als genug gehabt. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum ihre Freundschaft hielt?, dachte Isabelle bei sich, während sie noch immer auf ihr leeres Blatt Papier starrte. Davon abgesehen, dass sie alle drei in derselben Straße gelebt hatten, hätten Clara, Josefine und sie nämlich nicht unterschiedlicher sein können. Clara, die brave Apothekertochter, Josefine, die Rebellin unter ihnen, und dazu sie, Isabelle, die reiche Fabrikantentochter. Doch wenn sie sich bei Clara oder bei ihr trafen, wenn sie miteinander lachten und sich ihre Geheimnisse anvertrauten, dann waren ihre Gemeinsamkeiten stärker gewesen als alle gesellschaftlichen Unterschiede. Jede hatte Träume gehabt, und allem Anschein nach hatten die Freundinnen ihre auch verwirklicht. Sie jedoch hockte hier in der Ödnis und hatte ausgeträumt.
    Angewidert warf Isabelle ihr Schreibzeug in die Ecke, ehe ihr ein Gedanke kam: Der Brief, mit dem ihre Schwiegermutter sich so wichtig getan hatte – warum hatte sie den nicht an sich genommen? Dann hätte sie etwas zu lesen gehabt. Womöglich betraf das Schreiben auch sie?
    Als sie
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