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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin
Autoren: Petra Durst-Benning
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als sie doch in den viel zu kleinen Schrank zu hängen. Für ein paar Tage würde sie diese Notlösung akzeptieren, danach musste Leon ein neues Domizil für sie beide suchen!
    Doch schon am nächsten Tag hatte Leon bei der Weinernte helfen müssen. Zeit, sich nach einem schöneren Haus oder zumindest einer komfortablen Wohnung umzusehen, hatte er nicht. Er hatte ihr nicht einmal das Weingut, in Wahrheit eher ein Bauernhof, ausführlicher zeigen können. Doch das bisschen, was es zu sehen gab, hatte Isabelle auch allein erkunden können: das große Scheunenlager voller Weinfässer, der Stall für die beiden Kühe, deren Hinterteile immer kotbeschmutzt waren, der Koben für die Schweine, in den sie bis zum heutigen Tag keinen Fuß gesetzt hatte, ein mit Maschendraht eingezäunter Auslauf für die Hühner, mit Draht unzählige Male notdürftig geflickt – von Landadel-Romantik keine Spur. Während Isabelle in ihren feinen Wildlederschuhen zwischen Schweinestall und Scheune herumstakste, lösten sich Leons überschwengliche Schilderungen seines Zuhauses wie Seifenblasen in Luft auf. Aber die Sonne schien, über der kargen Landschaft hing ein goldener Schleier, und der fruchtige Geruch des frischgepressten Traubensaftes verlieh der Landluft eine leichte Süße. Am Ende der Weinlese gab es tatsächlich ein Fest, das den Feiern in Isabelles Phantasie zumindest nahekam. Sie und Leon tanzten die halbe Nacht zu den Tönen einer Ziehharmonika, und wenn sie zwischendurch hungrig wurden, stärkten sie sich mit Stücken vom deftigen Zwiebelkuchen.
    Am Morgen nach dem Erntefest hängte Isabelle eine Jacke in ihren Schrank. Dabei fiel ihr Blick auf ihre eleganten Stadtkleider, die dort ein einsames Dasein fristeten. Und wenn schon!, dachte sie bei sich. Alles war zwar anders als erwartet, aber vielleicht würde sie sich doch noch an das Landleben gewöhnen können, vor allem, wenn sie erst einmal ein geeignetes Zuhause gefunden hatten.
    Dann ging der goldene Herbst abrupt zu Ende, und der Nebel nahm den Platz der Sonne ein. Mit ihm kam die Langeweile, etwas für Isabelle völlig Ungewohntes. In Berlin waren die Tage stets zu kurz gewesen für all ihre Unternehmungen. Die Treffen mit ihren Freundinnen, das Radsporttraining mit ihrer besten Freundin Josefine, ihr Engagement im Radsportverein, dazu die vielen Festivitäten, zu denen ihre Eltern sie mitnahmen … Nichts davon hatte sie in ihr neues Leben retten können. Zum Nichtstun verdammt zu sein brachte sie nun fast um den Verstand. Niemand wollte etwas von ihr, nirgendwo war ihre Hilfe ernsthaft gefragt. Anni Feininger hatte ihren Haushalt gut im Griff, sie brauchte niemanden, der ihr hineinredete, eine Schwiegertochter aus der Stadt schon gar nicht. Nur hin und wieder durfte Isabelle in der Küche helfen. Der Unterschied zwischen ihren Welten war einfach zu groß. Da es in Nothzeit keine Geschäfte gab, hätte Isabelle auch nirgendwo anders eine Arbeit annehmen können. Ihre Träume, ein eigenständiges Leben zu führen, zerplatzten wie Seifenblasen.
    »Fahr doch mit mir eine Runde auf dem Rad! Danach würdest du dich bestimmt wohler fühlen«, sagte Leon, wenn sie sich über die bleierne Ödnis, die sie quälte, beschwerte. Doch Isabelle winkte ab. Seit sie im letzten Sommer während eines Langstreckenrennens schwer gestürzt war, war Rad fahren das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.
    »Warum machen wir uns nicht auf die Suche nach einem eigenen Haus?«, fragte sie ihn stattdessen.
    »Jetzt, im Winter, wo alles grau ist? Das halte ich nicht für eine gute Idee«, sagte Leon und vertröstete sie aufs Frühjahr. Und so blieben Isabelle nur die Nächte, in denen sie in Leons Armen die Erfüllung fand, die ihr tagsüber verwehrt blieb.
    Isabelles Blick wanderte von dem Berg Kartoffeln, den sie schon geschält hatte, zu jenem Berg, der noch vor ihr lag. Hätte ihr in ihrem früheren Leben jemand erzählt, wie viel Essen man zube­reiten musste, um fünf Erwachsene satt zu bekommen, hätte sie dies nie geglaubt. Und das Tag für Tag. Die rote Pfälzer Erde, die so hartnäckig an den Kartoffeln haftete, grub sich täglich tiefer in die kleinen Fältchen auf ihren Fingerknöcheln. Der Dreck setzte sich so unter ihren Nägeln fest, dass keine Maniküre es mehr vermochte, ihre Hände wieder sauber werden zu lassen.
    Isabelle seufzte erneut tief auf. Hände wie eine Bäuerin, dazu Kartoffeln morgens, mittags und abends –
    »Wird das heute noch was?«
    Isabelle musste sich nicht
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