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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division
Autoren: Ken MacLeod
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der Boden gingen
nahtlos ineinander über, und die Versorgungskabel sprossen
wie Kletterpflanzen aus Astlöchern hervor. An den
Wänden hingen glänzende Schwarzweißbilder von
Menschen, Landschaften und dem Meer. Sie wirkten detailgenau und
präzise, wie Fotos, sah man von der fehlenden Farbe einmal
ab. Auf den niedrigen Sesseln, auf dem Tisch und auf dem Boden
war eine erstaunliche Vielzahl unterschiedlichster
Damenunterwäsche verstreut. Entweder ich oder der Smart-Suit
hatte da wohl angegeben. Meine Erinnerung an den Abend war
verschwommen, aber angenehm.
    Ich lag eine Weile ruhig da, lächelte vor mich hin und
hoffte, ich wäre schwanger. Kurz vor Ausbruch eines Krieges
wäre das ziemlich pervers gewesen – normalerweise wird
man erst hinterher schwanger –, aber dieser Krieg
würde vorbei sein, ehe die Schwangerschaft sichtbar
würde. Falls wir siegten, würde ich für
längere Zeit nicht mehr auf die Erde kommen, und wir
brauchten so viele frische Gene, wie wir nur kriegen konnten. Und
falls wir verloren… aber darüber brauchte ich mir
keine Gedanken zu machen.
    Ich wälzte mich aus dem Bett, sammelte die Einzelteile
auf und befahl ihnen, sich zu Wanderkleidung zusammenzusetzen,
ausgenommen ein, zwei Teile, die ich als Unterwäsche
anbehalten wollte. Nicht dass ich in einem Raumanzug aus
intelligenter Materie Unterwäsche benötigt hätte,
aber sie war hübsch. Das galt in gewisser Hinsicht auch
für die Shorts, die Socken, die Stiefel und den Rucksack,
als sie vor mir auf dem Boden lagen. Der Anzug hatte eben einen
guten Geschmack.
    Das Apartment war ganz normal eingerichtet, sodass ich keine
Mühe hatte, das Frühstück zu bereiten. Ich brachte
es ins Bett, und wir verspeisten es und liebten uns ein letztes
Mal. Stephan machte ein paar Fotos von mir, ich versprach ihm
erneut, ihn zu vergessen, dann sagten wir einander Lebewohl.
    Vermutlich hat er mich inzwischen vergessen, ich aber stelle
mir gerne vor, dass jemand Fotos von mir besitzt.
    *
    Auf der Bodenebene war es heiß. Die Sonne stand hoch am
Himmel, so groß und hell, dass ich sie mit geschlossenen
Augen sehen konnte, und so heiß, dass mir die Haut wehtat.
Sogar die Luft war heiß. Auch davon erfährt man vorher
nichts.
    Zwischen dem Turm und dem Strand standen ein paar niedrige
Gebäude. Geschäfte und Lagerhäuser mit
Ausrüstung für die Leute, die auf den Algenfeldern
arbeiteten oder am Strand spielten, Erfrischungsbuden, Esslokale
und so weiter. Ich schlenderte die Küstenstraße
entlang und hielt Ausschau nach einem Geschäft für
Touristen.
    Nackte kleine Kinder tollten lärmend umher, rannten vom
Turm zum Strand und wieder zurück. Etwas ältere Kinder
lümmelten im Schatten und lauschten Erwachsenen oder
Halbwüchsigen, die vor einem Flipchart oder einer Maschine
einen Vortrag hielten; hin und wieder erhob sich ein Kind, nickte
dem Lehrer höflich zu und machte sich dann an irgendeine
Beschäftigung.
    Zwei Kinder beaufsichtigten den Touristenladen. Das
Geschäft war leicht zu erkennen, denn es handelte sich um
eine primitive Konstruktion aus Meeresbeton und Plastik und
etwas, das wie Treibholz aussah, wobei es sich vermutlich aber um
Abfälle von Synthetikholz handelte. Als ich mich unter dem
Baldachin aus Meeresseide hindurchduckte, sagte ich mir, dass das
Material wohl stabiler war, als es aussah. Dann stand ich
blinzelnd im kühlen, schattigen Ladeninneren.
    An den Wänden standen Regale, voll gestopft mit all den
Sachen, die Touristen begehrten. Alte Blechbüchsen mit Gold-
und Silbermünzen, neue Plastikkästen mit Munition,
haufenweise geölte Waffen, Hüte, Halstücher,
Stiefel. Von der Decke hing unterschiedlichste Freizeitkleidung:
weite Strandkleider, Anzüge aus Robbenfell, T-Shirts und
Frotteekleider. Anscheinend gab es mehr Verwendungszwecke als
Touristen. Ich war im Laden allein, abgesehen von dem Jungen und
dem Mädchen, die hinter der Theke vor einem Schachbrett
saßen.
    Der Junge blickte mir entgegen. »Hi«, sagte er und
winkte mir zu. »Schauen Sie sich ruhig um. Wenn Sie etwas
brauchen, das nicht vorrätig ist, wenden Sie sich an
uns.« Er lächelte geistesabwesend und wandte sich
wieder dem Schachbrett zu.
    Ich wühlte in den klimpernden Dollars, Rubeln,
Markstücken, Pfund- und Yenmünzen, bis ich sechzig
Gramm Gold und hundert Gramm Silber beisammen hatte, alles in
möglichst kleinen Münzen. Am Waffenregal wählte
ich eine 45er Automatik und
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