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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division
Autoren: Ken MacLeod
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Glücksspiel machten).
    Das kapitalistische System war abgeschafft, die Grünen
waren verschwunden, und die Außenweltler…
    Mit den Außenweltlern musste man sich noch befassen.
    *
    Ich vergewisserte mich, dass ich auf dem Dach allein war. Die
kalten, flötenartigen Trichter der Carson-Anlage atmeten
unablässig seufzend die Luft ein, die niedergeschlagene
Feuchtigkeit bildete Rinnsale. Ich begab mich in ihren Schatten
und wandte den Blick vom tief stehenden Jupiter zum Mond. Ich
hockte mich hin, breitete achtlos das Kleid aus, kraulte den
Affen am Kopf und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Der Affe verschmolz nach und nach mit der Jackenschulter, dann
flossen Kleid und Jacke wie Quecksilber ineinander und formten
sich zu einer drei Meter durchmessenden Antennenschüssel um,
in deren Mitte ich hockte, den Kopf von einem feinen Netz
bedeckt, das sich aus dem mittlerweile verschwunden Kragen
gebildet hatte. Im Mittelpunkt der Antenne bildete sich ein
dünner Fortsatz. Drähte breiteten sich aus, suchten
nach Energiequellen, die sie in Sekundenschnelle auch fanden. Um
mich herum summte der transformierte Weltraumanzug.
    »Die Antwort lautet nach wie vor nein«, sagte ich.
»Ich gehe zur zweiten Option über.«
    »Gebündelte Nachricht verschickt«, sagte der
Anzug. »Wurde vom Lagrange-Relais
bestätigt.«
    Und das war’s. Die Empfänger der Nachricht wussten,
was mit ›zweiter Option‹ gemeint war. Sonst
niemand. Ich sollte bei meiner Mission nicht bloß
Funkstille bewahren; ich war vor allem deshalb persönlich
hierher gekommen, weil wir nicht einmal der mündlichen
Kommunikation trauen konnten. Der gebündelte Funkspruch
würde von einem Laser aufgefangen und weitergeleitet werden,
was den Vorteil hatte, dass die Jupiteraner weder stören
noch mithören konnten. Er würde an unser Schiff
gesendet werden, an die Terrible Beauty, die sich im
Moment auf der anderen Erdseite befand, und von dort zum
Divisionsstützpunkt auf Callisto. Von Callisto würde in
wenigen Stunden eine knappe Empfangsbestätigung eintreffen.
Ich hatte nicht vor, darauf zu warten. Ich richtete mich auf und
befahl dem Anzug, seine frühere Form einzunehmen. Als sich
das Kleid wiederhergestellt hatte, versetzte ich es
unnötigerweise in Drehung und wirbelte unmittelbar in
jemandes Arme. Ich taumelte zurück und stellte fest, dass
ich gegen Stephan Vrij, den Fotografen, geprallt war.
    Einen Moment lang musterten wir einander schweigend.
    »Was Sie sehen, wenn Sie die Kamera nicht dabei
haben«, sagte ich.
    »Ich bin Ihnen nicht gefolgt«, meinte er verlegen.
»Ich habe mich bloß umgeschaut. Das gehört zu
meinem Job. Die Leute treiben hier nach einer Party immer
verrückte Sachen.«
    »Können Sie den Vorfall vergessen?«, fragte
ich.
    »Klar«, sagte er und wandte den Blick ab.
    »Dann verspreche ich Ihnen, Sie zu vergessen.« Ich
fasste ihn bei der Hand. »Kommen Sie. Ich habe schon eine
Menge Drinks intus, und Sie haben noch gar nichts getrunken, hab
ich Recht?«
    »Stimmt«, sagte er verwirrt, während ich ihn
zielstrebig zum Aufzug zerrte. Ich grinste ihn an.
    »Kennen Sie eine bessere Methode, den Abend ausklingen
zu lassen?«
    »Da könnten Sie Recht haben«, meinte er.
    »Sie haben mich nicht verstanden«, sagte ich.
»Ich hatte gehofft, du… «
    Lachend begaben wir uns zu seinem Zimmer.
    Bist du unter Menschen oder hast Menschen bei dir zu
Gesellschaft, und es gelüstet dich nach ihrem fremden Leib,
geh hin und erfreue dich an ihnen und zeuge Söhne und
Töchter mit ihnen, auf dass dein Volk sich auf dem Land
ausbreiten und deine Kinder den Himmel besiedeln mögen.
    So steht es im Buch Jordan geschrieben. Genetik, Kapitel 3, Absatz 8.
    *
    Ich erwachte in einem bequemen, wenn auch zerwühlten
Bett. Stephan Vrij schnarchte friedlich an meiner Seite. Wir
waren beide nackt, und ich lag unter einer Steppdecke. Als ich
ihn zudeckte, wälzte er sich auf die andere Seite.
    Dem Winkel des einfallenden Sonnenscheins nach zu
schließen war es Vormittag. Das Zimmer bestand aus einem
Material, das wie Kiefernholz aussah und auch so roch, jedoch
nicht aus Brettern, die zusammengenagelt oder -geklebt worden
waren (was, wie ich später herausfand, auf der Erde durchaus
noch bei manchen Leuten üblich ist, und zwar nicht deshalb,
weil sie dazu gezwungen wären, sondern weil sie die Zeit
haben, derartigen Launen nachzugehen). Das Material war vielmehr
an Ort und Stelle gewachsen, die Wände und
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