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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division
Autoren: Ken MacLeod
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aber vollkommen authentisch. Bisweilen fragte ich
mich, was sie an Wilde fand, denn ich war unempfänglich
für seinen Charme.
    »Was führt Sie her?«, fragte Meg.
    »Es ist nicht leicht, Sie zu treffen«, sagte ich
leichthin. »Da wollte ich die Gelegenheit
nutzen.«
    Meg lächelte. »Sie sind eine viel beschäftigte
Frau, Ellen. Sie wollen etwas Bestimmtes.«
    »Kann schon sein«, sagte ich. »Vielleicht
können wir später darüber reden?«
    Sie musterte mich mit leicht gerunzelter Stirn.
    »Natürlich«, sagte sie. »Es dürfte
bald ruhiger werden.«
    Ich lachte. »Sie meinen, wenn Wilde mit allen gesprochen
hat?«
    »So in der Art.« Sie zog mich zu einem Sofa etwas
abseits des Gewühls, und ich nahm neben ihr Platz.
»Das ist alles ein wenig anstrengend«, meinte sie
geistesabwesend. Sie rieb die bloßen Füßen
aneinander und drückte ihre Zigarette aus. Der Affe
hüpfte von meiner Schulter und ergriff den Aschenbecher,
blickte mich mit seinen großen Augen flehentlich an. Ich
schüttelte den Kopf. Er bleckte die Zähne, dann wandte
er sich von mir ab und ließ sich von Meg streicheln.
    Wildes erhobene Stimme:
    »… seine Aussprüche zu überhöhen
und einen Märtyrerpropheten aus ihm zu machen – das
ist so ziemlich die einzige Irrationalität, die euch noch
bleibt! Ich glaube, er hätte darüber gelacht!« Wilde lachte dröhnend, und die
Umstehenden stimmten zögernd in sein Gelächter ein. Die
Unterhaltung geriet kurz darauf ins Stocken, worauf Wilde
herüberkam und sich neben mich setzte. Es war, als
säßen wir am Rand eines Strudels auf einem
schwimmenden Baumstamm. Ringsumher wurde weiter gefeiert; hin und
wieder näherte sich uns einer der Partygäste und
schwenkte wieder ab, als er kein einladendes Signal erhielt.
Einige entfernten sich, die meisten aber verharrten taktvoll
außer Hörweite.
    Wir begrüßten einander, dann rückte Wilde von
mir ab und saß nun Schulter an Schulter mit Meg.
    »Nun gut, Ellen«, sagte er. »Wir stehen zu
Ihrer Verfügung.« Er zündete sich eine Zigarette
an, ließ sich Wodka einschenken und blickte in sein Glas.
»Da waren heute schon ganz andere Drinks drin«,
bemerkte er. »Das Gute am Wodka ist natürlich, dass
das nichts ausmacht. Jeder Geschmack, der hinzukommt, stellt eine
Verbesserung dar. Ich bin bereits betrunken. Also, wenn Sie uns
etwas fragen wollen, setzen Sie die
Unterhaltung…«
    »Befragung.« Die alten diplomatischen Euphemismen
waren mir seit jeher verhasst.
    »… nur fort. Das ist die Gelegenheit.« Er
lehnte sich noch weiter zurück und blickte mich
herausfordernd an.
    »Sie wissen schon, was ich will, Wilde«, sagte ich
mit schwerer Zunge. Ich war ebenfalls angetrunken und auch
ziemlich müde. Die Schwerkraft zieht einen nieder (und der
Weltraum laugt einen aus, aber so ist das Leben).
»Verlangen Sie nicht von mir, dass ich es
ausspreche.«
    Er beugte sich vor. Sein Atem roch nach Zigarettenrauch und
Alkohol.
    »Keine Bange«, meinte er. »Die immer gleiche
Frage. Und die immer gleiche Antwort lautet: nein. Es gibt keine
Möglichkeit, Euch das zu geben, wonach Ihr nicht zu fragen
wagt.«
    »Warum nicht?«
    Die immer gleiche Frage, die stets zu derselben Antwort
führte:
    »Ich werde nicht zulassen, dass Ihnen dieser Ort in die
Hände fällt.«
    Ich ballte die Fäuste, entspannte sie langsam wieder.
    »Wir wollen den verdammten Ort nicht!«
    »Ha!«, machte Wilde ungläubig. »Wie
auch immer. Ich werde Ihnen jedenfalls nicht die Möglichkeit
verschaffen, darauf zuzugreifen.«
    Dann muss es eben jemand anderes tun, dachte ich. Meine Stimme
klang ruhig und gelassen.
    »Nicht einmal, um die Außenweltler zu
bekämpfen?«
    »Sie brauchen die Außenweltler nicht zu
bekämpfen.«
    »Sollten wir das nicht selber beurteilen?«
    Wilde nickte. »Klar. Treffen Sie nur Ihre Entscheidung,
ich treffe die meine.«
    Am liebsten hätte ich ihn gepackt und die Antwort aus ihm
herausgeschüttelt. Bedenken hätte ich keine gehabt.
Meine Enttäuschung nahm zu. Hätte ich Wilde ins
Vertrauen ziehen und ihm sagen können, wie rasch die
Entwicklung voranschritt und die Lage sich zuspitzte, hätte
er mir wahrscheinlich gesagt, was ich wissen wollte. Die Division
aber vertraute ihm noch weniger als er uns. Hätte ich die
volle Wahrheit gesagt, hätte dies noch weitaus schlimmere
Folgen haben können. Wilde und Meg waren beide in der Hand
des Feindes gewesen, waren buchstäblich Produkte des
Feindes, und
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