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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division
Autoren: Ken MacLeod
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ein Dutzend Ladestreifen aus.
Proviant und andere Konsumgüter konnte ich überall
bekommen, und der Anzug hatte bessere Stiefel und Socken
hergestellt, als hier vorrätig waren. Einem auffallenden
Taschenmesser mit rotem Griff und eingelassenem Metallkreuz mit
Wappen konnte ich allerdings nicht widerstehen. Es hatte zwei
Klingen und eine Menge raffinierter Werkzeuge. Die meisten davon
würde ich brauchen können.
    Ich verabschiedete mich von den Kindern, versprach, alles
weiterzugeben, was ich nicht brauchen würde (das Messer nahm
ich im Geiste dabei aus), und trat in den blendend hellen
Sonnenschein hinaus. Gleich darauf machte ich wieder kehrt und
wählte noch eine Sonnenbrille aus. Das Gelächter des
Mädchens begleitete mich nach draußen.
    Jetzt, da ich nicht mehr die Augen zusammenkneifen musste, war
es leicht, von der Flugbahn der Luftschiffe, Ultraleichtflugzeuge
und Hubschrauber auf die Lage des Flughafens zu schließen.
Ich folgte ein paar Meilen weit der Küstenstraße, dann
hatte ich ihn erreicht. Unterwegs hielten mehrere Wagen an, um
mich mitzunehmen, doch ich lehnte jedes Mal ab. Trotz der Hitze,
der Schwerkraft und der momentweisen Desorientierung, die immer
dann auftrat, wenn ein konservativer Teil meines Gehirns zu dem
Schluss gelangte, der Horizont könne unmöglich so weit
entfernt sein, musste ich mich daran gewöhnen, mich im
Freien zu bewegen; und nach einer Weile machte es mir
erstaunlicherweise sogar Spaß. Der Meereswind führte
den vertrauten Geruch der Algenplantagen mit sich, die fernen
Konverter schimmerten und summten, die nahen Wasserflächen
mit dem künstlichen Riff funkelten, und die Schwimmer und
die Leute auf den Booten johlten ausgelassen.
    Der Airport lag auf einer Landzunge, die einige hundert Meter
ins Riff hinausragte. Luftschiffe schwoiten an den Masten,
dazwischen summten Helikopter und Ultraleichtflugzeuge umher.
Über ihnen zerrten die für die Beförderung
größerer Lasten vorgesehenen Nurflügelflugzeuge
aus Diamantgewebe wie Riesendrachen an den Vertäuungen. Ich
war mit einem solchen Nurflügelflugzeug vom Raumhafen in
Guinea hergeflogen und würde wohl auch wieder mit einem
wegfliegen müssen. Ich wäre gern mit einem Luftschiff
geflogen, aber das hätte zu lange gedauert. Ich wusste
nicht, wie viel Zeit mir noch blieb, aber bis zur Deadline, dem
Moment des Zusammenstoßes, blieben nur noch knapp drei
Wochen. Ich musste meine Aufgabe vorher abschließen.
    Kurz vor dem Flughafenzaun blickte ich mich zur Casa Azores
um. Von hier aus war sie zwar zu sehen, aber nicht zu
überblicken. Hundertfünfzig Meter an der Basis
durchmessend, verjüngte sie sich in einem Kilometer
Höhe bis auf hundert. Die von Gleiter-Ports und wie Eis
funkelnden Fensteröffnungen durchbrochene
Gebäudefassade wirkte aufgrund der Kletterpflanzen und
Hängegärten nahezu natürlich. Erbaut und gewartet
von Quadrillionen von organisch hergestellten Nanomaschinen, war
das Gebäude beinahe ebenso einzigartig wie ein Baum und
wesentlich effizienter. Die Lebensweise, die es zusammen mit den
umliegenden Aquakulturen ermöglichte, war mir fremd, doch
ich arbeitete gern für ihren Schutz. Es gab hier eine Menge
interessante Arbeit und viele interessante
Freizeitbeschäftigungen; abenteuerliche und auch ganz
normale. Was es nicht gab, konnte man mit vergleichsweise
geringem Zeit- und Arbeitsaufwand nanotechnisch selbst
herstellen.
    Die geringe Zahl der Funkmedien und die Schwierigkeiten der
Real-Time-Kommunikation waren die einzigen Einschränkungen,
die von der Zeit vor der Herbstrevolution und dem Großen
Crash geblieben waren. Wir hatten versucht, das Beste daraus zu
machen. Alle möglichen Unterhaltungsmedien und das gesamte
Wissen von dreißig Milliarden Menschen war (endlich)
über Kabel verfügbar, dazu kamen zahllose umherreisende
Unterhaltungskünstler, Forscher und Dozenten. Der Mangel an
Medienstars wurde vom Überraschungsmoment mehr als
aufgewogen.
    Im ganzen inneren Sonnensystem – auf der Erde, in
Erdnähe, in Lagrange, auf dem Mond, dem Mars und im
Asteroidengürtel – wurden ähnliche Lebensweisen
gepflegt. Kulturen und Sprachen waren vielfältiger denn je,
doch das ihnen zugrunde liegende System war überall das
gleiche. In schwebenden Städten, in treppenförmigen
künstlichen Bergen, in Türmen wie diesem, in
unterirdischen Städten und in Eishöhlen hatten die
meisten Menschen diesen Lebensstil übernommen:
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