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Die Brut

Titel: Die Brut
Autoren: Thea Dorn
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sie eingezogen waren, und weder Sebastian noch sie hatten bislang die Zeit gefunden, sich um die Behebung dieses Mangels zu kümmern. Ihre Schwester kniete vor dem geschlossenen Klodeckel, unter dem Waschbecken glitzerten die Scherben eines Handspiegels.
    »Hey!« Feli fuhr herum, dass ihre blonden Löckchen flogen. Ein zusammengerollter Geldschein steckte in ihrem linken Nasenloch. Es verstrich ein langer Augenblick, in dem keine der beiden Schwestern etwas sagte.
    »Ich dachte, du hast seit der Schwangerschaft aufgehört«, beendete Tessa schließlich das Schweigen.
    »Hab ich ja auch.«
    »Das sehe ich.«
    »Mann. Nur heute.«
    »Woher hast du überhaupt noch die Kohle für das Zeug?«
    »Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, Schwesterchen: Ich hab mal richtig Geld verdient.«
    »Ich könnte dich beim Jugendamt anzeigen.«
    »So spießig wärst nicht einmal du.« Feli grinste. »Warum gehst du nicht einfach wieder zu deinem Knacker raus und unterhältst dich weiter übers
Musikbusiness

    Sie drehte Tessa den Rücken zu, Sekunden später erklang das Geräusch, das das kleine Mädchen früher gemacht hatte, wenn ihm die Nase lief.
    »Ich hätte nicht geglaubt, dass du so verantwortungslos bist.«
    Feli lachte, tupfte mit dem befeuchteten Finger die letzten Krümel vom Klodeckel und leckte sie ab.
    »So ‘ne halbe Linie alle paar Wochen – das ist weniger schädlich als die ganze Scheiße, die du täglich inhalierst.«
    Sie stand auf, strich den Fünfzig-Euro-Schein glatt und steckte ihn zusammen mit der Kreditkarte ins Portemonnaie zurück. Wie in einer Reklame für ultracooles Haarstyling fuhr sie sich durch die Locken und lächelte ihr Spiegelbild an.
    »Bitte, das Klo ist frei«, sagte Feli, »und das mit dem Spiegel tut mir echt Leid, ich kauf dir einen neuen.«
    Tessa blieb im Bad stehen. Sie konnte sich nicht bewegen. Zu ihrem Ärger merkte sie, wie sich ihr Hals hinten zusammenzog und Tränen in ihre Augen drückten. Am liebsten wäre sie nach draußen gestürmt und hätte ihre Schwester geschlagen. An den Haaren gepackt, ihr Gesicht in den nächstbesten Spiegel geknallt und
schau dich an
gebrüllt. Mit der Spitze ihrer Flip-Flops schob Tessa vorsichtig die Scherben am Boden zusammen.
    Als sie fünf Minuten später in den Wohnbereich zurückkam, war ihre Schwester nicht, wie sie gehofft hatte, samt Curt verschwunden. Sondern saß auf einem der cremeweißen Ledersofas, Sebastian gegenüber. Ihre weiße Bluse mit den Flatterärmeln war aufgeknöpft, die linke Brust hing heraus. Und an der linken Brust hing Curt.
    »Hör sofort auf damit«, sagte Tessa und wunderte sich, wie ruhig sie klang.
    Sebastian und Feli starrten sie beide an, Sebastian mit einem Blick, als habe sie soeben angekündigt, ihrem Neffen die Mutter rauben zu wollen.
    »Tessa, du kannst doch nicht –«, setzte er an, aber Feli war schneller.
    »Lass nur, meine Schwester war schon immer verklemmt, wenn’s um Titten ging«, sagte sie und streichelte ihrem Sohn über den Kopf.
    Sebastian lag noch im Bett. Sie ließ ihn schlafen, schlüpfte in Sport-BH, Kapuzenjacke und Jogginghose, nahm die Autoschlüssel aus ihrer Handtasche und fuhr mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage.
    Außer ihrem schwarzen Cabrio stand dort nur der Jeep der Anwältin aus dem dritten Stock. Sebastian besaß weder Führerschein noch Wagen. Die Anwältin war Single. Und die restlichen Apartments in dem Gebäude standen leer. Die Jahre waren vorbei, in denen Luxuslofts verkauft waren, bevor die Fabrikmaschinen aus dem Gebäude geräumt werden konnten. Aus den jungen Millionären waren zu Beginn des dritten Jahrtausends junge Bankrotteure geworden. Die wenigen, die es selbst noch nicht erwischt hatte, blieben in ihren sanierten Altbau-Wohnungen hocken, die sie vor einigen Jahren mit dem ersten Geld gekauft hatten, und hofften, die wirtschaftliche Eiszeit dort überwintern zu können. Tessa wusste, dass sie Glück hatte. Der Friseur, zu dem sie jeden Donnerstag vor der Sendung ging, hatte ihr erst neulich erzählt, dass sie eine der letzten Kundinnen war, die noch jede Woche kamen.
    Sie drückte die Fernbedienung. In der Garage war es so still, dass sie aus zehn Metern Entfernung hören konnte, wie sich die Schlösser in ihrem Mercedes entriegelten. Wäre das elektrische Rollgitter nicht gewesen, das die Außenwelt Außenwelt sein ließ, die Garage hätte im Stadtführer für Vergewaltiger drei Sterne verdient.
    Tessa fuhr durch die sonntagmorgenleeren Straßen und genoss
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