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Die Brut

Titel: Die Brut
Autoren: Thea Dorn
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vor?«
    »Mein Laptop steht in meinem Zimmer.«
    »Was?« Tessa ließ ihren rechten Fuß auf den Boden zurückplumpsen. Der große Zeh war fast geschält.
    »Ich hatte keine Lust, ihn diesmal mitzuschleppen.«
    Sie stieß einen Seufzer aus. »
You saved my night

    »Immer.«
    Tessas Gesichtszüge entspannten sich. Kein Lachen der Welt kroch ihr tiefer unter die Haut als das von Sebastian. »Weißt du schon, ob du es morgen schaffst?«
    »Ich denke, dass ich den letzten Flieger noch erwische.«
    »Prima. Ich mach dann nach der Sendung auch nicht so lang.«
    »Wer’s glaubt.«
    »Ich vermiss dich so.«
    »Ich dich auch.«
    Sie wollte gerade auflegen, das Ohr noch warm, das Lächeln auf den Lippen, als ihr einfiel: »Halt. Wenn ich an die Mail ran will, brauche ich dein Password.«
    »Oh ja«, sagte Sebastian. »Tasso.«
    »Tasso?
I hate you

    »Wenn ich zurück bin, mach ich Tessa draus.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Schlaf schön.«
    »Du auch. Ciao.«
    »Ciao.«
    Tessa hatte noch immer ein Lächeln auf den Lippen, als sie die Treppe ins untere Stockwerk hinunterging. Vor zwei Monaten erst war sie mit Sebastian in das Dreihundert-Quadratmeter-Loft eingezogen.
Ich liebe diese Wohnung
, dachte Tessa, als sie durch den dunklen Wohnbereich ging, an dem schlichten hellgrauen Filzsofa vorbei, das so breit und tief war, dass man zu zweit darauf liegen konnte. Schon als Studentin hatte sie vor diesem Sofa gestanden.
Ein Klassiker
, hatte die Verkäuferin damals gesagt und hinterhältig gelächelt, als habe sie längst erkannt, dass in Tessas Budget nicht einmal die linke Armlehne dieses Sofas vorgesehen war.
    Sebastians Arbeitszimmer lag schräg unter dem von Tessa. Er hatte ihr das hellere, größere Zimmer mit dem Zugang zur Dachterrasse kampflos überlassen, nicht nur, weil er sie liebte, sondern weil er streng genommen gar kein Arbeitszimmer brauchte. Sebastian Waldenfels war Schauspieler. Ein berühmter. Bis vor kurzem hatte er nur auf der Bühne gestanden. Jetzt drehte er seinen zweiten Kinofilm.
Herbstsommer
. Er spielte einen Schriftsteller, der begeistert in den Ersten Weltkrieg zieht und Jahre später desillusioniert zurückkehrt.
    Sie musste lächeln, als sie das Licht anknipste und die vielen Ordner und Schachteln sah, die sich in den deckenhohen Regalen stapelten. Als sie Sebastian beim Einzug gefragt hatte, was da um Gottes willen drin sei, hatte er gelacht und
frag mich lieber nicht
gesagt.
    Der Laptop stand tatsächlich auf dem Empire-Schreibtisch. Und obwohl er selbst ein antikes Modell war, sah er aus, als wolle er sich dafür entschuldigen, dieses geerbte Prachtstück zu entweihen. Tessa setzte sich und fuhr über die gepolsterten Armlehnen des Stuhls.
    Von Sebastians Telefon aus – jeder von ihnen hatte seinen eigenen Anschluss – rief sie bei ihrer Produktionsfirma an. Sie erreichte Ben, den jüngsten der drei Redakteure, der so dankbar für seine Festanstellung war, dass er jede Nacht als Letzter aus dem Büro ging. Er versprach ihr, das Interview mit Gabriele Behrens an Sebastians Adresse zu schicken. Tessa sagte
ciao
und legte auf.
    Neben dem Schreibtisch hing ein gerahmtes Foto. Es war ihr noch nie aufgefallen. Sebastian auf der Bühne. Er trug eine tief geschlitzte Bluse mit bauschigen Ärmeln, um die Stirn herum einen Lorbeerkranz. Sein Blick war auf etwas außerhalb des Bildes gerichtet. Eine Mischung aus Triumph, Wut und Hohn. Warum ausgerechnet dieses Bild? Sie sollte öfter ins Theater gehen. Obwohl sie Germanistik im Nebenfach studiert hatte, kannte sie sich nicht gut aus. Früher, als die Liebe noch ein unsicheres Spiel gewesen war, hatte sie sich nächtelang hingesetzt und Wagner gehört, wenn der Mann, in den sie sich verliebt hatte, Wagnerianer war. Sie hatte die verschiedenen Hubräume von Formel-1-Wagen auswendig gelernt. Einmal hatte sie begonnen, ungarisch zu lernen. Sich alle sechs Monate in einen neuen Mann zu verlieben hatte unglaublichen Bildungswert. Die Liebe des Lebens gefunden zu haben, war einfach nur großartig.
    Tessa hatte Sebastian vor einem knappen Jahr kennen gelernt. Er war Gast in ihrer Sendung gewesen. Meistens lagen Politiker auf der Couch, aber manchmal machten sie eine Ausnahme und luden Schauspieler, Sportler oder Sänger ein. Tessa hatte sich geschworen, nie mit einem Gast zu schlafen.
Host
und Herbergsmutter sind eins. Schläfst du mit einem, wollen alle anderen auch mit dir schlafen. In dem Moment, in dem Sebastian von der roten Couch
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