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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes
Autoren: Greg Bear
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26. Juni 1996
     
    Arthur Gordon stand im Dunkeln am Ufer des Rogue River. Er hatte sich einige Schritte weit von seinem Haus, seiner Familie und seinen Gästen entfernt, weil er im Moment keine Gesellschaft mochte. Er war fast zwei Meter groß, von denen er nur zwei bis drei Zentimeter durch krumme Haltung einbüßte. Sein Haar war matt braun, und seine Augenbrauen ein klein wenig heller getönt. Seine Figur war gut proportioniert. Er war hinreichend muskulös, ohne eine Spur von Fett. Unter der Haut traten die Muskeln hervor, was ihn etwas hager erscheinen ließ.
    Die gleiche Schlankheit verlieh seinem Gesicht einen Anflug von Heftigkeit und fälschlich auch von Durchtriebenheit. Wenn er lächelte, sah es so aus, als ob er über etwas Unangenehmes nachdächte oder einen Anschlag planen würde. Aber sobald er sprach oder lachte, war dieser Eindruck rasch verflogen. Seine Stimme war voluminös, ausgeglichen und ruhig. Er war ein überaus liebenswürdiger Mensch und war es sogar während seiner anderthalb Jahre in Washington, D.C., gewesen.
    Die Kleidung von Arthur Gordon wirkte professionell. Am liebsten trug er – wie jetzt – alte braune Cordsamthosen, eine dazu passende Jacke und ein blaukariertes Hemd mit langen Ärmeln. Die wenigen Schuhe, die er besaß, waren solide: Im häuslichen Bereich Turnschuhe und bei der Arbeit kräftige braune oder schwarze aus Leder.
    Seine einzige Extravaganz war eine breite rechteckige Gürtelschnalle, die einen Saturn aus Türkis und silberne Sterne zeigte, die in Rosenholz über Messing und Ahornbergen eingelegt waren. Fünf Jahre lang hatte er sich ernsthaft etwas mit Astronomie beschäftigt, die für ihn immer noch der edelste aller Berufe war. Sie stand seinem Herzen nahe und lag ihm oft auf der Zunge.
    Er kniete sich im Schatten von Eschen und Ahornbäumen hin und steckte die Finger in die üppige, von schwarzen Blättern verkrustete Humusschicht. Mit geschlossenen Augen sog er den Geruch von Wasser ein, von scharf wie Tee riechendem vermodertem Laub und das saubere seifenartige Aroma feuchter Erde. Es war schön, allein zu sein. Allein zu sein und zu wissen, daß er jederzeit umkehren und zu Francine und ihrer beider Sohn Marty zurückkehren könnte, war ein Glücksgefühl, das er kaum zu ermessen vermochte.
    Der Wind fauchte über ihm durch die Zweige. Als Arthur aufschaute, erspähte er zwischen den schwarzen Konturen der Ahornblätter einen dichten Schwarm von Sternen. Er kannte jedes Sternbild. Er wußte (so gut wie jedermann sonst), wie die Sterne geboren werden, wie sie alt werden und manchmal auch sterben. Dennoch waren die Sterne selten mehr als Lichter auf tiefblauem Samt. Nur manchmal während längerer Zeit konnte er sie in Gedanken sich aufblähen lassen und als das sehen, was sie wirklich waren, nämlich ferne Teilnehmer an einem komplizierten Spiel.
    Stimmen hallten durch den Wald. Auf der weiten Veranda des einstöckigen Landhauses, das auf kräftigen Betonpfeilern über die mit Farnen und Bäumen bewachsene Klippe ragte, unterhielt sich Francine mit ihrer Schwester Danielle und ihrem Schwager Grant über Fischfang.
    »Männer mögen Hobbies mit Schneid und Schmalz«, sagte Danielle. Ihre hohe Stimme war angenehm und hatte noch etwas von dem Akzent aus North Carolina bewahrt, den Francine längst fast völlig abgelegt hatte.
    »Unsinn!« konterte Grant herzlich – ganz Iowa. »Der Reiz besteht in dem Töten unschuldiger Geschöpfe Gottes.«
    Unterhalb von Arthur strömte der Fluß mit sanftem Gemurmel dahin. Immer noch in Hockstellung rutschte er auf den Absätzen seiner vollkommen schlammigen Turnschuhe zum Ufer hinunter und tauchte seine Hände mit ihren langen Fingern in das kalte Wasser.
    Für einen zufriedenen Menschen hängen alle Dinge miteinander zusammen. Er blickte wieder zum Himmel empor. »Verdammt«, sagte er ehrfurchtsvoll mit feucht werdenden Augen. »Ich liebe das alles.«
    Da tapste in seiner Nähe etwas im Dunkeln herum und schnupperte. Arthur fuhr zusammen und erkannte dann das eifrige Winseln. Gauge, Martys drei Monate alter schokoladenbrauner Labrador, war ihm bis zum Fluß herunter gefolgt. Arthur spürte die kalte Nase des Welpen an seiner ausgestreckten Hand und rieb den Kopf und die Ohren des Hundes zwischen seinen Händen. »Warum bist du die ganze Strecke hierher heruntergekommen? War der junge Herr unfreundlich? Hat er sich nicht um dich gekümmert?«
    Gauge saß hin und her schwankend im Schlamm. Sein Schwanz peitschte die
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