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Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Titel: Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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musste er in
der Ulrichs-Kapelle sein, um der Taufe seines ersten Kindeskindes beizuwohnen –
nicht auszudenken, was ihm Waltraud sonst für ein Gezeter bereiten würde,
sollte er die Zeremonie versäumen. In der Regel war es ihm gleich, was der alte
Drachen von sich gab, doch diesmal konnte er sich nicht einfach wieder
davonstehlen wie sonst, immerhin war die gesamte Familie zugegen.
    Einmal mehr dankte er seinem Schicksal, das
ihn schließlich in das Amt eines Vogtes beförderte. So war er derart selten
daheim, dass er so manch einen Gewohnheitsverbrecher aus dem Amtsbereich der
Vogtei häufiger zu sehen bekam als seine ihm angetraute Gemahlin.
    Waltraud, in der Hölle schmoren sollst du,
garstiges Biest!
    Dass sein beschränkter Sohn in der Kapelle
zugegen wäre, machte ihm das heutige Zusammentreffen nicht angenehmer. Nicht
nur einmal hegte er den Gedanken, unter dem Vorwand dringender Amtsgeschäfte
einfach fernzubleiben, doch stand er als oberster Richter der Region auch in
der Öffentlichkeit. Und sollte das Gerücht über sein zerrüttetes Verhältnis zu
seiner Frau, das schon lange in Goslar die Runde machte, nicht zur Gewissheit
werden, musste er seiner Pflicht als Großvater Genüge tragen.
    Weil er spät dran war, trieb er seinem
Pferd die Fersen in die Flanken. Er erwartete nichts anderes als einen weiteren
langweiligen Abend im Kreise seiner ungeliebten Familie. Vor ihm jedoch lagen
Ereignisse, von denen man noch lange in der Stadt und sogar darüber hinaus erzählen
würde.

Die Kaiserpfalz
     
    Mit den Glocken zur Non brachen sie alle vier gemeinsam auf zum
Areal der Kaiserpfalz. Da es noch früh am Nachmittag war, sollte die Zeit
allemal reichen, um in die Kapelle des Heiligen Ulrich zu gelangen. Paul hatten
sie gefesselt und geknebelt in Leonhardts Haus zurückgelassen, da die Kletterei
über die das Areal umlaufende Mauer mit einem Gefangenen schlichtweg unmöglich
war. Alfred meinte, sein Wort als Leutnant würde genügen, um bei dem Vogt
zumindest einen Aufschub von Leonhardts Hinrichtung zu erwirken. Eine Aussage
Pauls, wenn denn nötig, könne später immer noch erfolgen.
    Die Mauern waren rasch überwunden, nun
näherten sie sich vom Westen kommend der fensterlosen Rückseite des
Kaiserhauses. Trotz des mächtig vor ihnen aufragenden Saalgebäudes drangen von
der Frontseite der Pfalz Stimmen zu ihnen durch. Offenbar hatten sich schon
einige Taufgäste eingefunden.
    Wie immer beschlich Alfred Wehmut
angesichts der verschwindenden Bedeutung des einst, wie es ein Chronist einmal
bezeichnete, berühmtesten Wohnsitzes des Reiches. Lange vor Alfreds Zeit
residierten hier in seiner Heimatstadt die bedeutendsten Könige. Der Salier
Heinrich der Dritte war Goslar derart verbunden, dass er verfügte, sein Herz
nach seinem Tode hierher zurückzuführen, sein Sohn, Heinrich der Vierte, wurde
gar in Goslar geboren.
    Nach den Saliern kamen die Staufer.
Insbesondere der berühmteste Rotbart der Geschichte, Friedrich der Erste, auch
Barbarossa genannt, residierte des Öfteren in der Pfalz, und auch sein
eigentlicher Widersache, der Welfe Heinrich der Löwe, erledigte hier zum Teil
friedlich seine Amtsgeschäfte, bevor er, viele Jahre später, vergeblich
versuchte, Goslar zu erobern. Dann allerdings wurde es immer stiller um die
Kaiserpfalz, nur noch einige Male hielten in ihrem Saal Könige Einzug. Offenbar
gehörte die Zeit der reisenden Regenten, die in ihrem Reich nach dem Rechten
schauten, der Vergangenheit an. Das letzte Mal, dass ein König, in diesem Falle
Friedrich der Zweite, mit seinem Hofstaat die Pfalz aufsuchte und einen
Reichstag abhielt, lag nunmehr auch schon fünfzehn Jahre zurück. Seitdem
verwaiste das großartige Gebäude und wartete auf bessere Zeiten.
    »Wohin, nach links oder rechts?«, wurde
Alfred aus seinen Gedanken gerissen.
    »Nach rechts, die Kapelle links ist die
Liebfrauenkapelle, die an der südlichen Flanke die des Heiligen Ulrich!«
    »Dann los, bevor uns noch eine Wache
sieht!«
    Geduckt liefen sie an der schmucklosen
Westmauer des Saalbaus entlang, bis eine Tordurchfahrt ihren Weg kreuzte.
Robert, an vorderster Stelle befindlich, hob seinen Arm und gebot den anderen
Einhalt. Er drückte sich an die Mauer und linste vorsichtig durch den Torbogen
zur Vorderseite des Pfalzgebäudes. Einen Augenblick nur, dann hatte er genug
gesehen.
    »Der ganze Platz ist voller Menschen, es
sind auch einige Soldaten darunter. An dem Tor kommen wir niemals unbemerkt
vorbei«, flüsterte er
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