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Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)

Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)

Titel: Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)
Autoren: Kevin Hearne
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    Es hat viele Vorzüge, einundzwanzig Jahrhunderte alt zu werden, aber das mit Abstand Beste daran ist, dass man Zeuge der seltenen Geburt echter Genialität wird. Das spielt sich ausnahmslos so ab: Jemand wirft den Ballast überkommener kultureller Traditionen ab, ignoriert die unheilschwangeren Blicke der Autoritäten und tut etwas, das seine Landsleute für komplett verrückt halten. Unter diesen Genies war Galileo mein persönlicher Favorit. Van Gogh folgte dicht dahinter auf Rang zwei, wobei dieser tatsächlich komplett verrückt war.
    Der Göttin sei Dank sehe ich nicht aus wie jemand, der Galileo persönlich die Hand geschüttelt – oder den Uraufführungen von Shakespeare-Stücken beigewohnt hat oder mit den wilden Horden von Dschingis Khan ritt. Wenn mich Menschen fragen, wie alt ich bin, antworte ich ihnen einfach, einundzwanzig, und wenn sie davon ausgehen, damit wären Jahre und nicht Jahrzehnte oder Jahrhunderte gemeint, ist das wohl nicht meine Schuld, oder? In manchen Lokalen mit Altersbeschränkung wollen sie sogar immer noch meinen Ausweis sehen, was ziemlich schmeichelhaft ist, wie euch jeder ältere Mitbürger gerne bestätigen wird.
    Das Äußere eines jungen, irischen Burschen kommt mir allerdings weniger gelegen, wenn ich an meinem Arbeitsplatz einen gelehrten Eindruck erwecken will – ich betreibe eine okkulte Buchhandlung mit einer kleinen, in eine Ecke gezwängten pharmazeutischen Theke –, gleichzeitig hat es einen ungeheurenVorteil. Wenn ich beispielsweise im Supermarkt einkaufen gehe, und die Menschen sehen meine roten Locken, meine helle Haut und den langen Kinnbart, dann nehmen sie automatisch an, ich würde Fußball spielen und viel Guinness trinken. Oder wenn ich ein ärmelloses Hemd trage, und sie bemerken die Tätowierungen, die meinen gesamten rechten Arm bedecken, dann vermuten sie, ich würde zu einer Rockband gehören und jede Menge Gras rauchen. Aber nicht einen Augenblick kommt ihnen der Gedanke, ich könnte ein uralter Druide sein – und das ist der Hauptgrund, weshalb ich dieses Äußere so schätze. Würde ich mir stattdessen einen langen, weißen Bart wachsen lassen, einen spitzen Hut aufsetzen und beständig Würde und Weisheit ausstrahlen, könnten die Menschen bald den falschen – beziehungsweise den richtigen – Eindruck gewinnen.
    Manchmal vergesse ich, wie ich aussehe, falle ein wenig aus der Rolle und singe beispielsweise ein aramäisches Hirtenlied, während ich bei Starbucks in der Schlange warte; aber das Gute am Leben in den Städten Amerikas ist, dass die Menschen hier Exzentriker entweder ignorieren oder in die Vorstädte ziehen, um ihnen aus dem Weg zu gehen.
    So etwas wäre in den alten Tagen undenkbar gewesen. Menschen, die anders waren, wurden damals kurzerhand auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder gesteinigt. Anders zu sein hat natürlich auch heute noch gewisse Nachteile, weshalb ich mir auch solche Mühe gebe, mich möglichst gut anzupassen. Allerdings beschränken sich diese Nachteile meist auf verbale Belästigungen und Diskriminierung, und das ist eine entscheidende Verbesserung gegenüber einer der Volksbelustigung dienenden Hinrichtung.
    Das Leben in der modernen Welt bietet einige solcher entscheidenden Verbesserungen. Zwar finden die meisten mir bekannten alten Seelen, der Reiz der Modernität erschöpfe sich incleveren Erfindungen wie Innenklos und Sonnenbrillen. Für mich besteht die eigentliche Attraktivität Amerikas jedoch vor allem darin, dass es praktisch gottlos ist. Als ich noch jünger und ständig auf der Flucht vor den Römern war, konnte ich in Europa keine Meile gehen, ohne auf irgendeinen einer Gottheit geweihten Stein zu treten. Hier draußen in Arizona muss ich mir nur über die gelegentlichen Begegnungen mit Coyote Gedanken machen, der aber im Grunde ziemlich in Ordnung ist. (Er hat keinerlei Ähnlichkeit mit THOR , und das allein reicht aus, dass wir gut miteinander klarkommen. Die College-Kids hier in der Stadt würden THOR als »aufgeblasenen Riesenblödmann« bezeichnen, falls sie je das Pech hätten, ihm zu begegnen.)
    Noch mehr als die geringe Götterdichte schätze ich an Arizona die fast vollständige Abwesenheit von Feen. Damit meine ich nicht diese niedlichen, kleinen Disney-Flatterwesen. Ich meine das Feenvolk, die Sidhe, die wahren Nachkommen der TUATHA DÉ DANANN , geboren in TÍR NA NÓG , dem Land der ewigen Jugend, bei denen man sich nie sicher sein kann, ob sie einen umarmen oder aufschlitzen wollen. Sie
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