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Die Boten des Todes

Die Boten des Todes

Titel: Die Boten des Todes
Autoren: Hans Gruhl
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angedeutet, welches Unbehagen es ihm bereitete, in einem solchen
Zusammenhang von Geld zu sprechen. Es mache ihm bereits Schwierigkeiten genug,
die Zinsen seines eigenen Kapitals zu verbrauchen.
    Ada hatte sich vorgestellt, wie wenig
Schwierigkeit sie haben würde, ihn dabei zu unterstützen. Es war etwas
Herrliches, Geld auszugeben und fremdem dabei den Vortritt zu lassen.
    Die Fotografie, die Herr van Noringen
beigefügt hatte, zeigte einen Herrn wie auf den Reklamebildern einer bekannten
Sektmarke. Würdige Fröhlichkeit und gehobener Stil. Der Mund war wohl etwas zu
genießerisch angelegt, und die Augen zeigten einen ganz leichten Porzellanblick.
Vielleicht war er kurzsichtig und trug sonst eine Brille. Man würde sehen. Sein
Anzug war untadelig, das Haar weiß, aber voll.
    Ada legte das Bild beiseite und
korrigierte mit sanftem Druck eine Welle ihres Haares. Herr Adrian war für elf
Uhr angemeldet, und die gläserne Uhr auf der Kaminsole tat den letzten Schlag
silberhell, als es an der Tür läutete.
    Ada vernahm Stimmengemurmel. Das
Mädchen trat ein.
    »Ein Herr van Noringen, gnä’ Frau!«
    »Oh. Bitte, führen Sie ihn herein!«
    Ada zauberte die Verlegenheit auf ihr
Gesicht und bekam glühende Bäckchen. In der Tür erschien die Fotografie,
diesmal lebendig. Ada sah mit dem ersten Blick, daß die Augen trotz des
leichten Porzellanblickes Vertrauen erweckten.
    Herr van Noringen trug einen dunklen
Zweireiher mit feinen Nadelstreifen, dazu eine helle Piquetweste und Gamaschen
von ebensolcher Farbe. Ein strichförmiger Schirm hing über seinem Arm hinunter,
und mit der Rechten hielt er den harten Hut über der Magengegend. Er verneigte
sich gemessen.
    Ada ging ihm entgegen. »Zu nett, daß
Sie gekommen sind!«
    Herrn Adrians Lippen berührten sanft
ihren Handrücken. »Ich gestehe, Gnädigste, daß Mut dazu gehörte. Auf der Treppe
noch hätte er mich fast verlassen.«
    Herr van Noringen brachte diese Lüge
ohne Schwierigkeiten heraus, zumal es die erste war, seit er das Zimmer
betreten hatte. Es würden ohnehin noch mehr folgen. Er fuhr fort: »Es ist das
erste Mal in meinem Leben, daß ich eine Dame auf diese Weise kennenlerne. Aber
ich bereue es nicht!«
    Ada erglühte um einen Grad mehr. »Bitte
— setzen wir uns. Möchten Sie nicht Hut und Schirm ablegen?«
    Herr Adrian hüstelte. »Ich wollte — hm —
diesen ersten Besuch nicht über Gebühr ausdehnen, gnädige Frau... ich kann mir
vorstellen, daß die Situation für Sie ungleich — hm — sonderbarer...«
    Ada war ergriffen von so viel
Zartgefühl. »Es geht«, hauchte sie.
    Sie ging voran zum Erker, Herr van
Noringen ging hinter ihr und taxierte die Einrichtung mit geübtem Blick. Die
Endsumme befriedigte seine Erwartungen. In der Erkernische stand ein massiver
Rauchtisch mit polierter Platte zwischen chintzbezogenen Ohrensesseln. Man nahm
Platz. Ada läutete dem Mädchen. Es zeigte sich, daß Herr van Noringen einem
Sherry Captain Lopez nicht abgeneigt war. Ada blickte mit gezielter Melancholie
auf die Flasche, die zwischen den Strahlen der Vormittagssonne funkelte.
    »Sie verzeihen — hier habe ich so oft
gesessen — mit meinem Mann.«
    Adrian verzieh. Er war im Bilde. »Ich
bedaure zutiefst das Unglück, das Sie betroffen hat. Ich darf mit gebotener
Bescheidenheit bemerken, daß ich es nachfühlen kann. Auch meine Frau hat mich
vor eineinhalb Jahren allein gelassen.«
    Herr Adrian senkte die Nase in die Nähe
des Sherryglases.
    Ada seufzte leise. »Es ist so
schwierig, in meiner Situation neue Bekanntschaften zu schließen. Eine Witwe,
ich bitte Sie. Deswegen habe ich diese schreckliche Annonce aufgegeben.«
    Herr van Noringen lächelte nach einem
Schluck. »Ich wäre untröstlich, wenn Sie es nicht getan hätten, gnädige Frau.
Und was mich betrifft, so darf ich versichern, daß für mich nur eine Dame in
Betracht gekommen wäre, die schon einmal verheiratet war — wenngleich nicht
geschieden. Kurzum eine Witwe.«
    Ada sah ihn mit großen Augen an. »Das
ist Ihr Ernst?«
    »Mein voller.« Herr Adrian sah aus, als
hätte er soeben einen Eid geschworen. »Es war mir daher ein Leichtes, meine
engere Wahl zu treffen.« Einen Augenblick hielt er inne, als müßte er Mut
fassen. Dann setzte er hinzu: »Ich kann nur hoffen, verehrte gnädige Frau, daß
Sie von diesem Ausgang des Experimentes ebenso befriedigt sind, wie ich es
bin.«
    Er drückt auf das Tempo, dachte Ada.
Vielleicht ist es der Sherry. Sie schlug die Augen nieder.
    »Ich kenne Sie
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