Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
Vom Netzwerk:
traf ihn in der Magengegend, doch der Gangster ließ sich in seinem
Vorhaben ihn umzubringen, nicht abbringen und folgte ihm weiter. Konsequenter
Mistkerl.
    Daniel blickte sich um. Hier
gab es nichts, das ihm hätte helfen können. Der Raum war komplett leer, sah man
von der Morgensonne und den Scherben ab, die den Boden bedeckten und damals
eine Fensterfront mit Rundumblick gebildet hatten. Zu einer Zeit, als hier noch
die Größen von Wirtschaft und Industrie aus- und eingegangen waren, war das
hier mit Sicherheit ein beliebter Platz gewesen, bei Sonnenuntergang einen
Scotch zu trinken, eine Zigarre zu schmauchen oder eine Nummer zu schieben.
    Doch Daniel hatte keine
Zeit, das Panorama zu bewundern, denn schon war Xerxes im Zimmer. Auch wenn er
weiterhin unaufhörlich auf Daniel einschlug, nahm die Intensität der Hiebe ab.
Doch auch so protestierte Daniels Körper bei jedem Treffer. Lange würde er
nicht mehr durchhalten. Er hoffte nur, dass Xerxes früher schlappmachte.
Verdammt, der Penner hörte sich an wie eine defekte Dampflok in einer besonders
starken Steigung.
    Xerxes änderte seine
Strategie, was wahrscheinlich seinen schwindenden Kräften geschuldet war. Er
täuschte einen seitlichen Haken an, wartete, bis Daniel sich zur Seite drehte,
um den Schlag abzufangen, und warf sich dann nach vorne. Daniel konnte nicht
mehr reagieren. Xerxes umklammerte ihn, und er fühlte sich an einen
Schraubstock erinnert, in dem er eingespannt war. Seine Arme waren wie
festgefroren seitlich an seinem Körper. Keine Möglichkeit, seinen Angreifer
abzuwehren.
    Xerxes nutzte den Schwung,
Daniel durch den Raum zu treiben, bis sie an der Fensterfront angekommen waren.
Bis zur Decke hatten damals Fensterscheiben gleichzeitig den Blick auf den
schönen Taunuswald freigegeben und die Beobachter vor Regen und Wind geschützt,
nur unterbrochen durch Streben, die die einzelnen Scheiben getrennt hatten.
    Die Wand reichte Daniel bis
zur Hüfte. Xerxes drückte Daniels Oberkörper aus dem Fenster. Außen unterhalb
der Fensterfront verlief im Winkel von 45 Grad ein Ziegeldach. Das verlieh dem
Turm das Aussehen, als trüge er einen dieser Ballonröcke, in denen Frauen in
vergangenen Zeiten Festivitäten besucht hatten.
    Der Griff des Mannes war
unerbittlich. Er drückte Daniel immer weiter aus der Fensteröffnung, bis er mit
dem Rücken auf dem Vordach lag. Dieser alte, schwächlich wirkende Kerl hatte
Kraft wie ein Berserker!
    Daniel sah den Hof verkehrt
herum unter sich. Er verklemmte seine Kniekehlen an der Wand, versuchte, sich
so den Halt zu holen, ohne den er kopfüber im Hof aufschlagen würde.
    Xerxes hatte sich ebenfalls
aus der Öffnung gebeugt, schob Daniel immer weiter auf den Abgrund zu. Seine
Augen tränten, als hätte er soeben die traurigste Geschichte der Welt gehört.
Daniel vermutete, dass sie gereizt waren durch den Staub, den die Handgranate
verursacht hatte. Nur leider brachte ihn dieses Wissen überhaupt nicht weiter.
Er tastete links und rechts seines Körpers nach etwas, dass er benutzen konnte,
um den Rotäugigen abzuwehren. Er fand ein loses Ziegelstück. Er warf es nach
Xerxes, doch seine Wurfposition, rücklings mit dem Kopf nach unten, ließ keine
große Beschleunigung zu, und so prallte das Stück gebrannten Lehms von der
Stirn des Gangsters ab, ohne mehr als einen Kratzer zu hinterlassen.
    »Verreck endlich!« Die Worte
kamen stoßweise, ließen die Anstrengung erkennen, sowie die Wut und den Hass
auf Daniel. »Verreck endlich!«
    Der konnte nicht antworten.
Seine Beine begannen zu zittern, und er wusste nicht, wie lange er sich würde
halten können. Seine an der Betonkante eingeklemmten Kniekehlen brannten, als
hätte er sich dort einen Sonnenbrand aus der Hölle eingefangen.
    Xerxes schob ihn ein
weiteres Stück Richtung Dachkante. Daniels Kopf lugte nun bereits über die
löchrige Regenrinne hinaus, und das Blut strömte ihm in den Ohren. Das war es also.
Der ganze Kampf, alles umsonst. Seine Kniekehlen schrien ihn an, winselten um
Gnade. Daniel sah kaum noch Gründe dafür, sie ihnen nicht zu gewähren.
    Nun schlich sich auch
Genugtuung in Xerxes‘ Augen. Er wusste, er hatte gewonnen. Aus dieser Position
würde Daniel sich nicht mehr befreien können. Völlig unmöglich. Ein Lächeln
legte sich auf seine Regenwurmlippen.
    Bitte lieber Gott, lass mich
nicht mit diesem Bild vor Augen sterben. Bitte nicht.
    Er öffnete den Mund, wollte
etwas durch sein Lächeln hindurch sagen, zögerte dann jedoch,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher