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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
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während sein
Gesicht einen überraschten Ausdruck annahm.
    Dann bespuckte er Daniel mit
Blut.
    Er ließ von ihm ab und griff
hinter sich, als wollte er sich am Rücken kratzen. Mehr Blut lief ihm aus dem
Mund, tropfte auf sein staubiges Hemd, beschmutzte seine Anzugjacke. Xerxes
kippte nach vorne, landete auf Daniel, rutschte jedoch über ihn hinweg und
fiel. Aus seinem Rücken ragte der Griff der Machete. Mit einem Geräusch, als
wäre ein Sack Zement auf einen Erdhaufen gefallen, schlug er zwei Stockwerke
unter Daniel im Hof auf.
    Daniel konnte jetzt die
bröckelige Betondecke des Turms sehen, wenn er nach oben sah. Dann schob sich
ein bekanntes Gesicht in sein Blickfeld.
    Karla sah zum Fürchten aus.
Ihre linke Wange war grotesk geschwollen, ihr Auge kaum noch zu öffnen. Am Kinn
hatte sie eine Platzwunde, deren Blutung noch nicht gestillt war. Sie reichte
Daniel beide Hände. Er ergriff sie, und sie zog ihn zurück in den Turm.
    Wäre das Leben ein Film,
einer dieser Actionthriller, in dem der Held auf Rachezug ist und dabei genug
Menschen um die Ecke bringt, um eine Kleinstadt zu entvölkern, oder eine dieser
Komödien, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt, dann hätte Karla jetzt einen
coolen Spruch auf den Lippen gehabt. Aber das Leben ist kein Film, und so sagte
Karla gar nichts.
    Stattdessen fiel sie Daniel
in die Arme und weinte.

Kapitel 35
     
    Der Staub hatte sich gelegt,
das Morgenlicht sich eine weitere Nuance Dunkelheit einverleibt. Die
Taschenlampe beleuchtete immer noch das gleiche Stück fleckiger Flurwand. Auch
Yvonne schien sich nicht bewegt zu haben. Das Kinn immer noch auf die Brust
gesunken, die Körperhaltung ohne jegliche Spannung, konnte sie im ersten Moment
für tot gehalten werden. Ein genauerer Blick offenbarte jedoch, dass sich ihr
Brustkorb hob und senkte. Flach zwar, und unregelmäßig, doch eindeutig zu
erkennen.
    Auch ihr Gesicht war
fürchterlich zugeschwollen. Die Seite des Kopfes, die Daniel mit dem Kolben der
Maschinenpistole getroffen hatte, sah aus, als wäre ein länglicher Luftballon
unter der Haut aufgeblasen worden. Die Blutung aus den Nasenlöchern war zum
Stillstand gekommen. Zwei verkrustete Straßen aus Blut liefen zum Kinn.
    Es mochte eine Viertelstunde
vergangen sein, als Karla die Machete bis zum Griff in Xerxes versenkt und
Daniel so das Leben gerettet hatte. Sie hatte sich an ihn gelehnt und geweint,
hatte ihr Gesicht in seiner Schulter vergraben und Töne von sich gegeben, die
auch von einem verwundeten Tier hätten stammen können. Daniel hatte nichts
gesagt, hatte sie weinen lassen und ihr über das Haar gestrichen. Dann hatte
sie ihn mit ihrem nicht zugeschwollenen Auge angesehen, genickt, und ihre Hand
in seiner verankert. Gemeinsam waren sie die Treppe in den Flur im ersten Stock
hinabgestiegen, sich bewusst, dass sie noch eine Entscheidung zu treffen
hatten.
    Jetzt standen sie
unschlüssig vor Yvonne. Daniel erinnerte sich daran, dass sie es gewesen war,
die sich Xerxes‘ Befehl nicht hatte beugen wollen, sämtliche Zeugen zu beseitigen.
Doch sie hatte sich umentschieden, war auf der Seite von Marco geblieben und
hatte als Handlanger fungiert. Er rief sich ins Gedächtnis, dass sie auf ihn
geschossen, ihn getreten und geschlagen hatte. Aber sie hatte sich auch um
Karla gekümmert, während Daniel sein Grab hatte schaufeln sollen.
    Daniel seufzte. Zählte man
alles zusammen, schlug das Pendel ganz leicht zu ihrem Gunsten aus. Mit viel
Wohlwollen und mehr als zwei zugedrückten Augen.
    Er konnte sie hier liegen
lassen und zur Polizei fahren. Die würden sie dann schon festnehmen.
Wahrscheinlich war es das, was er tun sollte. Wenn sie noch hier war und
festgenommen wurde, dann war es eben so. Sollte sie zwischenzeitlich aufwachen
und die Flucht ergreifen, sollte es ihm ebenso recht sein.
    Aber nein. Sie hatte eine
Chance verdient. Sie war nicht unschuldig, gewiss nicht, hatte diese Eskalation
der Gewalt aber weder gewollt noch herbeigeführt. Er hatte es in ihren Augen
gesehen, an ihrem Gesicht ablesen können.
    Er tauschte einen Blick mit
Karla. Sie schien zu wissen, was in seinem Kopf vorging, denn sie versuchte
sich an einem ziemlich verunglückten Lächeln und nickte.
    Daniel blickte sich um, fand
Xerxes‘ Pistole, die das Morgenlicht aus der Dunkelheit befreit hatte, und
kniete sich vor Yvonne. Er hatte nicht vor, die Waffe zu benutzen - um ehrlich
zu sein, konnte er sich nicht vorstellen, jemals wieder eine zu benutzen - aber
sicher war sicher.
    Er
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